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Depressionen nehmen besonders bei jungen Menschen zu

Donnerstag, 20. September 2018 – Autor:
Depressionen nehmen besonders bei jungen Menschen zu. Oft gelingt es ihnen nicht, sich in einer Krise Hilfe zu holen. Um das zu ändern, geht der Verein „Irrsinnig Menschlich“ in die Schulen.
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Depressionen nehmen besonders bei jüngeren Menschen zu – Foto: ©Sabphoto - stock.adobe.com

Depressionen nehmen besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu, das berichten die Krankenkassen Barmer und DAK. Doch unzureichendes Wissen und Vorurteile verhindern oft die richtige Diagnose gerade bei jungen Menschen, meint Prof. Detlef Dietrich, Ärztlicher Direktor der Burghof-Klinik in Rinteln und deutscher Vertreter der European Depression Association, vor der Presse in Berlin. Anlass ist der Europäische Depressionstag am 1. Oktober.

Um psychischen Krisen vorzubeugen, den Betroffenen Mut zu machen, darüber zu reden und Hilfe anzunehmen, veranstaltet der Verein "Irrsinnig Menschlich" Aktionstage an Schulen, Universitäten und in Ausbildungsbetrieben. Schließlich beginnen 75 Prozent der psychischen Erkrankungen bereits vor dem 20. Lebensjahr. Und je früher die Therapie beginnt, desto erfolgreicher ist sie.

Depressionen: Schüler können Fragen zu psychischen Krisen stellen

Vereinsgründerin Dr. Manuela Richter-Werling versteht ihre Programme denn auch als "Eisbrecher". Bereits seit 2001 gibt es das Programm "Verrückt? Na und! - Seelisch fit in der Schule". Ab der 8. Klasse kommen jeweils eine Klasse und ihr Klassenlehrer mit zwei Experten zum Thema "Seelische Gesundheit" ins Gespräch. Die Teenager können Fragen stellen oder berichten, was ihnen etwas auf der Seele brennt. Was gibt es für Warnzeichen für seelische Not, was für Bewältigungstrategien?

Der eine Experte ist ein Fachmann wie etwa ein Psychologe oder Sozialpädagoge, der andere ist ein Betroffener. Dieser gibt aber erst am Ende der Veranstaltung zu erkennen, dass er selbst an Depressionen leidet oder litt. "Das löst bei den Schülern großes Erstaunen aus: Sie können es kaum glauben, dass ausgerechnet dieser Mensch psychische Krisen erfahren hat", berichtet Richter-Werling. Diese unerwartete Begegnung ist für sie der Schlüssel zur Veränderung von Einstellungen und Verhalten.

Depressionen: Junge Menschen aus der Krise holen

"Während eines solchen Projekttages outen sich immer drei, vier Schüler, die selbst schon Erfahrungen mit psychischen Krisen hatten", so Richter-Werling. Und es seien auch immer welche dabei, die das erste Mal darüber sprechen, dass jemand in ihrer Familie psychisch erkrankt ist. Jeder Schüler erhält am Ende des Schulprojekts einen eigens für junge Menschen gestalteten, regionalen Ausweg-Weiser, der helfen kann, sich Hilfe zu suchen und aus der Krise zu kommen.

Seit 2017 gibt es auch ein Aufklärungsprogramm für junge Studierende: "Psychisch fit studieren". Im Wintersemester 2018/2019 ist es an über 40 Hochschulstandorten präsent. Richter-Werling hat einen deutlichen Mentalitätswandel bei den Erstsemestern beobachtet. "Wenn ich Erstsemester vor Beginn des Studiums gefragt habe, ob sie sich darauf freuen, antwortete die Mehrzahl früher mit 'Ja'. Heute berichtet die Mehrheit von Ängsten, Angst das falsche Fach gewählt zu haben, Angst, am Studienort keine Freunde zu finden." Das Programm "Psychisch fit arbeiten" zielt vor allem auf Ausbildungsbetriebe und Unternehmen mit vielen jungen Mitarbeitern.

Depressionen: Chronischer Stress kann Krankheit auslösen

Was bereits in jungen Jahren zu einer Depression führen kann, ist nicht eindeutig auszumachen. Unstrittig gibt es eine erbliche Veranlagung. Doch das allein löst die Krankheit noch nicht aus, erklärt Dr. Iris Hauth, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus in Berlin-Weißensee. Erst wenn belastende Lebensumstände beziehungsweise chronischer Stress dazukommen, kann dies die Gene quasi anschalten.

Das können Leistungsdruck und Versagensängste sein, Mobbing an der Schule oder in den sozialen Medien, die Trennung der Eltern oder das Zusammenleben mit einem psychisch erkrankten oder suchtkranken Elternteil bis hin zu Gewalterfahrungen oder seelischem oder körperlichen Missbrauch.

Depressionen: Krankheit der verlorenen Verbindung

Wichtig für ein gesundes Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen ist ein ein gutes Beziehungssystem. Depressionen seien eine Krankheit der verlorenen Verbindung, zu sich, zu den anderen, zur Natur, zum Glauben, so beschreibt es die Psychiaterin Dr. Kirsten Kappert-Gonther, die für die Grünen im Bundestags sitzt und Obfrau des Gesundheitsausschusses ist.

Erst wenn der Betroffene sich anderen anvertrauen kann, kann er Hilfe bekommen. Und das ist gerade bei Depressionen besonders schwer. Denn - so formuliert es der depressive Schriftsteller Tobi Katze: Die Depression ist eine "Autoimmunerkrankung des Kopfes".

Foto: sabphoto/fotolia.com

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