Depressionen bei Jugendlichen dramatisch angestiegen

Immer traurig: Junge Frauen im Teenageralter leiden besonders häufig unter Depressionen – Foto: © Adobe Stock/ nenetus
Depressionen bei Teenagern sind ein zunehmendes Problem. Nach Versichertendaten der KKH Kaufmännische Krankenkasse ist die Zahl der 6- bis 18-Jährigen mit ärztlich diagnostizierten depressiven Episoden und wiederkehrenden Depressionen von 2010 auf 2020 insgesamt um rund 87 Prozent gestiegen. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei jungen Mädchen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren: In dieser Gruppe hat sich die Zahl der Diagnosen mehr als verdoppelt (Anstieg um 117 Prozent).
Teenager zehnmal häufiger betroffen als Kinder
In der Altersgruppe der 6- bis 12-Jährigen sind die Zahlen indes weitegehend gleichgeblieben und Jungen sind genauso häufig betroffen wie Mädchen. Teenager sind nach den Daten rund zehnmal häufiger von der Diagnose Depression betroffen als Kinder 84 vs. 0,4 Prozent.)
Doch KKH-Psychologin Franziska Klemm vermutet, dass die Dunkelziffer gerade bei den Kleinen wesentlich höher sein könnte, da Depressionen bei ihnen häufiger unerkannt bleiben als bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Während sich Depressionen bei Jugendlichen und Erwachsenen häufig in Form von Ängsten, Selbstzweifeln, Traurigkeit und Antriebslosigkeit, sozialem Rückzug und Suizidgedanken äußern, erkennen wir sie bei Kindern eher an allgemeineren Symptomen wie geringer Lust zu spielen, Bauch- und Kopfschmerzen, Albträumen, Bettnässen oder starken Stimmungsschwankungen“, erläutert Klemm. „Dies liegt unter anderem daran, dass es Kindern noch schwer fällt, ihre Gefühlslage gegenüber anderen zu beschreiben.“
Dass auch Kinder depressiv sein können, daran gibt es der Expertin zufolge heute keinen Zweifel mehr. „Heute wissen wir, dass es so ist. Deshalb müssen wir bei Kindern umso genauer hinschauen“, sagt sie.
Corona-Pandemie hat die Heranwachsenden stark belastet
Da die Erhebung im Jahr 2020 endet und es von den ersten Anzeichen einer Depression bis hin zu einer ärztlichen Diagnose häufig ein langer Weg ist, sind Pandemie-bedingte Depressionen in der Auswertung noch nicht vollumfänglich erfasst. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH hatte aber bereits gezeigt, dass die Corona-Krise 79 Prozent der 6- bis 18-jährigen Mädchen und 74 Prozent der gleichaltrigen Jungen "zusätzlich belastet" hat.
Für Depressionen kommen viele Auslöser in Frage
Psychologin Klemm unterstreicht denn auch, dass belastende Ereignisse wie die Corona-Krise, eine depressive Störung hervorrufen können. Doch es gibt viele Auslöser für eine Depression in jungen Jahren. Als Risikofaktoren gelten ein negatives Körperbild, unsichere oder fehlende soziale Bindungen, familiäre Belastungen wie ständiger Streit in der Familie oder Trennung beziehungsweise Verlust der Eltern, Vernachlässigung, Missbrauch, Konflikte und Mobbing.
Nicht zu unterschätzen sind auch genetische und hormonelle Faktoren, etwa in der Pubertät, was unter anderem den deutlichen Anstieg ab dem Jugendalter erklärt. „Diese Lebensphase ist ohnehin von vielen Veränderungen, großer Verunsicherung, neuen Herausforderungen und somit von einem höheren Stresslevel geprägt“, sagt Franziska Klemm. "Kommen dann weitere Belastungen wie Mobbing hinzu, kann dies das Risiko für eine Depression zusätzlich verstärken."
Mädchen sprechen eher über ihre Traurigkeit
Warum deutlich mehr weibliche als männliche Teenager betroffen sind, dafür nennt die Psychologin zwei mögliche Gründe: Zum einen seien junge Frauen in sozialen Netzwerken aktiver – das mache sie anfälliger für soziale Vergleiche und Opfer von Cybermobbing zu werden. Zum anderen könnten sie ihre Gefühlslage meist genauer und ausführlicher benennen, was zu schnelleren und präziseren Diagnosen führe. „Männer hingegen beschreiben ihre Depressivität häufig als Stress, anstatt über Traurigkeit und Antriebslosigkeit zu sprechen“.
Dennoch: Gerade in der Pubertät ist nicht jede Stimmungsschwankung gleich eine Depression. Traurigkeit und Verzweiflung gehörten auch zum normalen Entwicklungs- und Selbstfindungsprozess, sagt Klemm, und könnten nach einiger Zeit auch wieder verschwinden. Sie rät aber solche Phasen ernst zu nehmen und die Symptome immer zu hinterfragen.