Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Depressionen: Bei bestimmten Patienten wirken SSRI nicht

Dienstag, 6. November 2018 – Autor:
Japanischen Forscher gelang es erstmals, anhand bestimmter Messwerte drei Sorten von Depressionen zu unterscheiden. Depressionen eines bestimmten Typs lassen sich nicht mit den am häufigsten verschriebenen Antidepressiva, den SSRI, behandeln.
antdepressiva, depressionen, medikamente, stimmungsaufheller, psychopharmaka

Depressionen: Bei bestimmten Patienten wirken die gängigen SSRI nicht – Foto: ©TanyaJoy - stock.adobe.com

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit fast 300 Millionen Menschen an Depressionen, die Fallzahlen steigen. Japanische Forscher bestimmten jetzt erstmals drei verschiedene Formen von Depressionen. Eine dieser Formen spricht nicht auf die Behandlung mit den am häufigsten verschriebenen Antidepressiva, den SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer), an.

Serotonin ist ein Neurotransmitter, der Stimmung, soziale Interaktionen, Schlafmuster und Gedächtnis beeinflusst. Es wird angenommen, dass SSRIs wirken, indem sie den Serotonin-Spiegel im Gehirn erhöhen. Diese Medikamente wirken jedoch nicht bei allen Patienten, bei manchen bessert sich die Depression nach der Einnahme nicht. Die Wissenschaftler der Okinawa Institute of Science und Technology Graduate University (OIST) und der Hiroshima University wollten wissen, ob es Merkmale gibt, an denen sich diese Patientengruppe vor Beginn der Behandlung erkennen lässt.

Aktivitäten in 78 verschiedenen Gehirnregionen gemessen

Für die Studie sammelten sie klinische, biologische und biografische Daten von 134 Probanden. Bei der einen Hälfte waren erstmals Depressionen diagnostiziert worden, die andere Hälfte litt nicht an Depressionen. Die Teilnehmer wurden zu ihren Schlafgewohnheiten, zu Stress und anderen psychischen Erkrankungen befragt. Außerdem untersuchten die Forscher die Gehirne der Teilnehmer mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRI) und erfassten dabei Aktivitätsmuster in 78 verschiedenen Gehirnregionen.

Dr. Tomoki Tokuda, Statistiker und Hauptautor der Studie, entwickelte ein Modell, mit dem es gelang, die große Menge an Daten - 3000 Messwerte pro Teilnehmer - zu bestimmten Datenclustern zusammenzufassen. Mit dieser Methode identifizierten sie fünf Datencluster, die aus messbaren Merkmalen bestanden und die für die psychische Gesundheit eines Individuums wesentlich sind, heißt es weiter in einer Pressemitteilung.

Depressions-Typ hängt von Hirn-Aktivitäten und Kindheits-Trauma ab

Es wurde festgestellt, dass drei dieser Datencluster drei verschiedene Subtypen der Depression darstellen. Die drei Subtypen wurden durch zwei Hauptfaktoren charakterisiert: bestimmte funktionale Verbindungen beziehungsweise Schaltmuster im Gehirn und Trauma-Erlebnisse im Kindesalter.

Die Forscher fanden heraus, dass bestimmte Schaltmuster des Gehirns in Regionen, die mit der Verarbeitung von Sprache und Zahlen, räumlicher Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und anderen Aspekten der Wahrnehmung verbunden ist - eine große Rolle dafür spielte, ob SSRIs bei der Behandlung wirksam waren oder ob die Patienten nicht auf diese Therapie ansprachen.

Depressionen: Bei bestimmten Patienten wirken SSRI nicht

Bei Patienten mit erhöhter funktioneller Konnektivität zwischen verschiedenen Regionen des Gehirns, die außerdem ein Kindheits-Trauma erlebt hatten, sprach die Depression nicht die auf die Behandlung mit SSRI an. Bei den Betroffenen wirkte diese Gruppe von Antidepressiva also nicht.

Die anderen beiden Subtypen - bei denen die Gehirne der Teilnehmer keine erhöhte Konnektivität zwischen verschiedenen Regionen aufwiesen und/oder bei denen die Teilnehmer keine Kindheits-Trauma erlebt hatten - reagierten dagegen tendenziell positiv auf Behandlungen mit SSRI.

Depression: Einteilung in Subtypen könnte Behandlung verbessern

Zusammengefasst zeichnet sich der Subtyp 1 aus durch eine hohe funktionelle Konnektivität des Gehirns und ein Kindheitstrauma in der Vorgeschichte aus. Subtyp 2 zeichnet sich aus durch eine hohe funktionelle Konnektivität des Gehirns ohne ein Kindheits-Trauma in der Vorgeschichte. Subtyp 3 zeichnet sich sowohl durch eine geringe funktionelle Konnektivität des Gehirns als auch durch das Fehlen von Kindheits-Traumata aus.

Die Forscher hoffen, dass diese Ergebnisse Psychiatern und Therapeuten helfen werden, Diagnosen zu verbessern und Patienten des Subtyp 1 effektiver zu behandeln. Die entsprechende Studie wurde im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht.

Foto: tanyajoy/fotolia.com

Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Antidepressiva

Weitere Nachrichten zum Thema Depressionen

15.10.2019

Ein Antibiotikum kann depressives Verhalten vermindern – das zeigt eine aktuelle Studie. Wirksam ist dabei offenbar eine Veränderung der Darmflora und eine daraus resultierende Hemmung von Entzündungsprozessen im Gehirn.

11.11.2020

Depressionen sind weit verbreitet und bedeuten für Betroffene und Angehörige erhebliches Leiden. Bewegung kann dazu beitragen, die Psyche zu stabilisieren – das ist oft zu lesen. Nun wurde die vermutlich umfassendste Übersicht zu dem Thema veröffentlicht. Das Ergebnis: Bewegung kann gegen Depressionen helfen, allerdings ist die Wirkung vermutlich nur moderat.

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Dr. Iris Hauth, Chefärztin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Berlin-Weißensee, berichtet in Ihrem Buch "Keine Angst!" über Ursachen und Behandlung von Depressionen - und wie man sich davor schützen kann.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin