Demenz: Unzureichende medizinische Behandlung
„Nur ein Bruchteil der an Demenz erkrankten Betroffenen erhält eine leitliniengerechte Behandlung. Ihre Versorgung gilt als vorwiegend pflegerische Aufgabe. Dabei hilft eine gute medizinische Betreuung, die Pflegenden zu entlasten, einen Heimeintritt der Betroffenen zu verzögern oder gar zu vermeiden und die Lebensqualität aller Beteiligten zu erhöhen“, mahnt Professor Wolfgang Maier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), am 09. April 2014 in Berlin.
Aber auch die medizinischen Behandlungsangebote müssen eine stärkere Demenzsensibilität zeigen. So bewirken zum Beispiel Krankenhausaufenthalte viel zu häufig Verschlechterungen alltagsrelevanter Fähigkeiten, erläutert Maier.
Demenz wird häufig nicht diagnostiziert
„Etwa zwei Drittel der Bewohner in Pflegeheimen (68,6 %) leiden an einer Demenz, aber häufig wird diese Krankheit nicht diagnostiziert“, kritisiert Prof. Dr. Siegfried Weyerer vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit und verweist dabei auf eine Erhebung zu Pflegebedarf und Versorgungssituation bei älteren Menschen in Heimen (Schneekloth und Wahl 2009). Ärztlich diagnostiziert seien jedoch nur 37,7 %. „Darin“, so Weyerer, „spiegelt sich eine defizitäre gerontopsychiatrische Versorgung der Heimbewohner durch die Ärzte wider“.
Pflegerischer Bedarf ist oftmals die Folge unzureichender medizinischer Betreuung
„Demenziell erkrankte Menschen könnten länger im häuslichen Umfeld leben, wenn sie adäquat medizinisch behandelt würden“, fasst Maier eine der wesentlichsten Forderungen der DGPPN zusammen. Denn der pflegerische Bedarf sei oftmals die Folge der unzureichenden medizinischen Betreuung. „Viele der Patienten können sich nur schwer artikulieren, leiden zum Beispiel unter Schmerzen und werden unruhig. Gerade psychische – aber auch körperliche – Begleiterkrankungen werden oft nicht erkannt oder behandelt. Dadurch entstehen vermeidbare Problemsituationen, auch für die Pflegenden“, so Maier weiter.
Das sieht DGPPN-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Steffi Riedel-Heller auch so. Demenzerkrankungen sind gegenwärtig der häufigste Grund für eine Institutionalisierung der Betroffenen. Für Riedel-Heller ist daher die ärztliche Versorgung ein zentrales Element jeder Demenzbehandlung. Dass es dabei Verbesserungsbedarf gebe, zeigen beispielsweise die Ergebnisse der AgeCoDe-Studie. Folge man diesen, werden nur 51 Prozent der neu an Demenz Erkrankten von ihrem Hausarzt überhaupt als solche erkannt.
Nationaler Demenzplan soll zu einem sektorenübergreifenden Versorgungsansatz führen
Zwar sei Demenz derzeit nicht heilbar, aber es gibt viele therapeutische Möglichkeiten, um die Symptome zu lindern. Dabei sollten medizinische und pflegerische Maßnahmen in einem therapeutischen Gesamtkonzept eingesetzt werden, verlangt die DGPPN. Bei einer frühzeitigen Diagnose und einem rechtzeitigen Beginn der Therapie sei es möglich, den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen. Die Betroffenen können über einen längeren Zeitraum in der häuslichen Umgebung leben und müssen weniger rasch pflegerische Unterstützung in Anspruch nehmen.
Maier unterstreicht deshalb die DGPPN-Forderung nach einem Nationalen Demenzplan, in dessen Mittelpunkt eine intensive, kompetente fachärztliche sowie pflegerische Betreuung steht. Dringlicher denn je sei ein umfassender sektorenübergreifender Versorgungsansatz – zu Hause, im Krankhaus oder im Pflegeheim. Die Versorgung von Demenzerkrankungen dürfe dabei nicht nur als eine vorwiegend pflegerische Aufgabe angesehen werden, urteilt die DGPPN abschließend.
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