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Dem Morbus Crohn auf der Spur

Samstag, 11. August 2012 – Autor:
Die Entstehung von Morbus Crohn und anderen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen stehen im Mittelpunkt eines neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Spielen Darmbakterien eine Schlüsselrolle bei Morbus Crohn?

Spielen Darmbakterien eine Schlüsselrolle bei Morbus Crohn?

Entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind weit verbreitete Zivilisationskrankheiten. Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen, Tendenz steigend. Wie genau diese Leiden entstehen, ist immer noch weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass das komplexe Ökosystem aller Mikroorganismen im Darm eine wichtige Rolle spielt: Mit einer Billion Bakterien pro Quadratmeter ist der menschliche Darm das am dichtesten besiedelte Ökosystem. Funktionieren die fein abgestimmten Regulierungsmechanismen, bleibt der Organismus gesund. Gerät das empfindliche System aber dauerhaft aus dem Gleichgewicht, können chronische Entzündungskrankheiten die Folge sein.

DFG-Schwerpunktprogramm soll Wirkung von Darmbakterien auf Immunsystem aufklären

Die Mechanismen, die über Gesundheit oder Krankheit entscheiden, stehen im Mittelpunkt eines neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Koordiniert wird das bundesweit ausgeschriebene Programm von Prof. Dirk Haller von der Technischen Universität München (TUM) und Prof. Ingo Autenrieth von der Eberhard Karls Universität Tübingen. "Bei der Entstehung von chronischen Darmentzündungen sind die komplexen Wechselwirkungen zwischen genetischer Veranlagung, Immunfunktionen und dem mikrobiellen Milieu im Darm entscheidend", erklärt Dirk Haller von der TU München. Die Wissenschaftler wollen insbesondere die Wirkung von Darmbakterien auf das Immunsystem aufklären.

"Im Fokus des neuen Forschungsprogramms sollen deshalb innovative Ansätze stehen, mit denen sich diese komplexen Wirkungsmechanismen erklären lassen. Auf dieser Grundlage lassen sich dann gezielt Präventions- und Therapiemassnahmen entwickeln." Das Programm "Intestinal Microbiota - a Microbial Ecosystem at the Edge between Immune Homeostasis and Inflammation" ist eines von zehn Schwerpunktprogrammen, die die DFG mit insgesamt 60 Millionen Euro fördert. Sie sollen ab Anfang 2013 ihre Arbeit aufnehmen.

Unterdessen hat die DFG im Juni 2012 entschieden, das schleswig-holsteinische Exzellenzcluster "Entzündungsforschung" im Rahmen der zweiten Programmphase der Exzellenzinitiative für weitere fünf Jahre zu fördern. In dem Exzellenzcluster erforschen rund 200 Genetiker, Biologen, Ernährungswissenschaftler und Ärzte der Universitäten von Kiel und Lübeck im Verbund mit dem Leibniz-Forschungszentrum für Medizin und Biowissenschaften Borstel sowie dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön die Ursachen von Krankheiten wie Morbus Crohn, aber auch Asthma, Schuppenflechte, Multiple Sklerose oder Parkinson.

Morbus Crohn: Erbliche Abwehrschwäche?

"Entzündungsforschung ist für die Medizin zur Herausforderung des 21. Jahrhunderts geworden", erklärt Stefan Schreiber,der Sprecher des Exzellenzclusters "Entzündungsforschung". 2001 identifizierte Schreiber mit seiner Arbeitsgruppe erstmals ein Risiko-Gen für Morbus Crohn. Inzwischen sind 70 weitere bekannt. Galt Morbus Crohn bisher als Folge eines überaktiven Immunsystems, deuten die genetischen Ursachen nunmehr eher auf eine vererbbare Abwehrschwäche hin. "Offensichtlich funktioniert bei Morbus Crohn die Abwehrfunktion in der Darmschleimhaut nicht mehr", resümiert Schreiber. "Folglich werden körpereigene Bakterien aus dem Darm nicht richtig erkannt und die Immunabwehr überschiessend aktiviert." Nicht zuletzt für Patienten ist diese Erkenntnis von fundamentaler Bedeutung. So müssten zur Bekämpfung der Ursachen anders als bisher keine Medikamente mehr verabreicht werden, die das Immunsystem letztendlich schwächen, sondern im Gegenteil gerade solche, die die Mechanismen der angeborenen Abwehr aktivieren. "Diese Substanzen sind noch nicht vorhanden", sagt Schreiber. "Aber die Denkweise als Voraussetzung ist endlich da, um die Krankheit zu heilen oder ihr gar vorzubeugen."

Foto: Ein mit dem Elektronenmikroskop aufgenommenes Bild von Darmbakterien (grün) mit Schleimstruktur (gelb) in der Schleimhaut des Colons (grau), das einen Teil des Dickdarms bildet. (Quelle: Beat Haenni, Microscopy Imaging Center, Universität Bern)

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