
Forscher entdecken neuen antidepressiven Wirkmechanismus von Ketamin – Foto: © Adobe Stock/ Goffkein
Ketamin ist eine neue Hoffnung bei therapieresistenten Depressionen. Studien zeigen, dass eine einzelne Dosis innerhalb weniger Stunden zu einer antidepressiven Reaktion führt. Die Wirkung von Ketamin hält nach dem biochemischen Abbau im Körper mehrere Tage lang an. Herkömmliche Antidepressiva zeigen dagegen erst nach Wochen eine Wirkung und sie müssen täglich eingenommen werden.
Ketamin wirkt an bestimmten Nervenzellen im Hippocampus
Was Ketamin so einzigartig macht, haben nun Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie und Weizmann Institute of Science in Israel untersucht. Dabei konnten sie einen bislang unbekannten Wirkmechanismus entdecken: Ketamin aktiviert demnach den Kaliumkanal Kcnq2 in bestimmten Nervenzelltypen des Hippocampus. „In dieser Hirnregion wird ein Teil der antidepressiven Reaktionen gesteuert. Der Kaliumkanal ist dafür bekannt, dass er die neuronale Stabilität aufrechterhält: Er wirkt wie eine Bremse auf Neurone, die aufgrund von Reizen übermäßig stark Impulse abfeuern“, erklärt der Erstautor der Studie Juan Pablo Lopez. Die Aktivierung des Kanals in sogenannten glutamatergen Neuronen im Hippocampus scheint also die antidepressive Wirkung von Ketamin teilweise erklären zu können.
Retigabin verstärkt die antidepressive Wirkung
Das Forscherteam aktivierte zudem den Kaliumkanal mit dem Epilepsie-Medikament Retigabin. Dadurch wurde die antidepressive Wirkung von Ketamin verstärkt und sie hielt länger an. Die Untersuchungen fanden zwar an Mäusen statt, doch die Wissenschaftler halten die Ergebnisse für übertragbar auf den Menschen, da die Signalwege zwischen den Spezies konserviert sind. „Ein Vorteil unserer Studie ist, dass wir die von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassenen Medikamente Ketamin und Retigabin verwendet haben“, sagt Alon Chen, Präsident des Weizmann Institute of Science. „Die Kombination dieser beiden Medikamente kann nun am Menschen getestet werden.“
Neue Therapiekombination soll klinisch getestet werden
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Dosen von Ketamin und Retigabin in der klinischen Anwendung reduziert werden können, weil in den Mäusen die Effekte zusammenwirkten. „Das könnte die Nebenwirkungen verringern“, so Chen. Das Verständnis des Wirkmechanismus von Ketamin und der daran beteiligten Signalwege sei entscheidend, um neue Medikamente zur Behandlung von Depressionen zu entwickeln.
Die Ergebnisse der Ketamin-Studie sind kürzlich im Fachmagazin „Neuron“ erschienen.
Ketamin war ursprünglich ein Narkosemittel, später wurde es zur Partydroge. Dann wurden seine antidepressiven Eigenschaften entdeckt. In den USA ist Ketamin bzw. ein Abkömmling seit 2019 zur Behandlung von schweren Depressionen zugelassen, in Deutschland nicht. Es wird aber zum Teil im Off-Label-Use eingesetzt.