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Covid-19-Pandemie: 40 Prozent mehr Psychotherapiebedarf

Sonntag, 9. Januar 2022 – Autor:
Angst vor dem neuen Virus, quälende Kontaktbeschränkungen, Verlust von Freude-bringenden sozialen und kulturellen Aktivitäten, Krankheits- oder Todesfälle in der Familie: Die Covid-19-Pandemie hat in den Seelen vieler Menschen tiefe Spuren hinterlassen. Die Anfragen nach Plätzen für Psychotherapie schnellen in die Höhe – bei teils erheblichen Wartezeiten.
Corona und Psyche: Grafik. Hochhäuser, Coronaviren, Frau kauert einsam auf dem Boden, im Licht einer Straßenlaterne.

Die Pandemie wie die Maßnahmen zu deren Eingrenzung waren für viele Menschen sehr belastend. Psychotherapeuten beobachten insbesondere eine Zunahme von Depressionen und Angsterkrankungen – Foto: RannaLinne

Die Strapazen der Corona-Pandemie hinterlassen in vielen Bevölkerungsgruppen ihre Spuren. Die weit überdurchschnittlichen Belastungen und ein hohes Infektionsrisiko können bei Ärzten und Pflegekräften Depressionen, Angststörungen oder Posttraumatische Belastungsstörungen auslösen. Stationär isolierte Corona-Patienten zeigen drastisch erhöhte Angst- und Depressionswerte. Angehörige berichten häufig von posttraumatischem Stress mit Schlaflosigkeit, hoher Anspannung, Niedergeschlagenheit und Rückzug. Bei Kindern und Jugendlichen stauten sich erst Lebendigkeit – und schließlich Frust – auf, weil Kitas, Schulen, Spielplätze oder Sportvereine geschlossen waren. Die Folgen: Stress, Traurigkeit, Hyperaktivität, emotionale und Verhaltensprobleme. Das zeigt eine Auswertung internationaler Studien durch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Corona-Pandemie: Zunahme von Depressionen und Angsterkrankungen

„Sowohl die Pandemie selbst als auch die Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie waren für viele Menschen sehr belastend“, sagte jetzt der Präsident der Therapeutenkammer, Dietrich Munz, im Gespräch mit dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt. „Wir beobachten eine Zunahme von Depressionen und auch von Angsterkrankungen." Die Psychotherapeuten in Deutschland registrieren, dass die Nachfrage nach Therapieplätzen spürbar anzieht. Eine Umfrage der „Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung“ (DPtV) vom Februar 2020 zeigt: Allein im ersten Jahr der Pandemie nahmen die Anfragen bei Psychotherapeuten für einen Therapieplatz gegenüber der Vor-Corona-Zeit um 40 Prozent zu. „Es zeigt sich hier ein deutlich gestiegener Bedarf an psychotherapeutischer Unterstützung“, beobachtet die DPtV.

Therapieplatz: 40 Prozent der Patienten warten länger als sechs Monate

Das Problem ist allerdings: Die Zahl der Therapieplätze hat sich nicht entsprechend dem gestiegenen Bedarf erhöht. Hilfesuchende müssen offenbar noch länger als in früheren Zeiten bereits der Fall auf eine Behandlung warten. Untersuchungen zeigen: Zwischen 2020 und 2021 konnten nur zehn Prozent der Anfragenden innerhalb eines Monats einen Behandlungsplatz erhalten. Knapp 40 Prozent mussten sogar länger als sechs Monate warten.

Zahl der Therapeutensitze sagt nichts über die Zahl der möglichen Therapieplätze

Die Therapeutenvereinigung kritisiert, dass die Anzahl der Kassensitze von Therapeuten im Wesentlichen immer noch auf Bedarfsplanungen von 1999 beruhe. Kammerpräsident Munz bezifferte die derzeit bestehende Lücke für eine adäquate Versorgung der Bevölkerung mit etwa 3.000 Sitzen bundesweit. Hinzu kommt, dass viele Inhaber von Therapeutensitzen nicht vollberuflich therapeutisch tätig sind – und viel potenzielle Therapieplätze damit faktisch gar nicht existieren. Laut dem rbb-Magazin Super.Markt versorgen ein Viertel der psychotherapeutischen Praxen 20 oder weniger  Patienten im Jahr, und fast die Hälfte 30 oder weniger. Gründe dafür sind oft Nebentätigkeiten der Therapeuten, beispielsweise als Gutachter.Außerdem existieren große regionale Unterschied, was die Verfügbarkeit von Psychotherapiepraxen angeht. In der Stadt kommen auf einen Psychotherapeuten statistisch gut 3.000 Einwohner, auf dem Land sind es fast doppelt so viele.

Therapie-Wartezeit: Was Betroffene provisorisch tun können

Mehr Therapieplätze wird es erst einmal also nicht geben. Doch es gibt ein paar Tipps, wie Betroffene schneller Hilfe finden. Dietrich Munz von der Bundespsychotherapeutenkammer empfiehlt Selbsthilfegruppen und auch Apps zur Überbrückung. Die Kosten für bestimmte geprüfte Apps übernehmen die Krankenkassen. „Apps können hilfreich sein, aber sollten immer erst angewandt werden, wenn man mit einem Psychotherapeuten oder einer Therapeutin in Kontakt war und das besprochen hat", so Munz im rbb. Etwa in einem Erstgespräch, das über die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart werden kann. Sie ist verpflichtet, einen Termin innerhalb von vier Wochen zu vermitteln.

Hauptkategorie: Corona

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