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Covid-19 kann schwere Gehirnentzündung auslösen

Dienstag, 15. Juni 2021 – Autor:
Während, aber auch nach einer Infektion mit dem Coronavirus kann es zu schweren neurologischen Symptomen kommen. Bekanntes Beispiel: der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns. Ein Wissenschafts-Team des Uniklinikums Freiburg konnte jetzt nachweisen, dass Covid-19 auch das Zentralnervensystem angreifen kann: in Form einer schweren Gehirnentzündung.
Gehirn und menschlicher Schädel - graphische Darstellung

Covid-19 ist viel mehr als eine Lungenerkrankung, wie man anfangs dachte. Die Krankheit kann sogar das Zentralnervensystem angreifen – in Form einer schweren Gehirnentzündung. – Foto: AdobeStock/Spectral-Design

Bei der Aufklärung von Mechanismen der Coronavirus-Erkrankungen sind Forschende der Uni Freiburg offenbar einen Schritt weiter gekommen. So war bisher bekannt, dass für eine Ausheilung der Coronavirus-Infektion eine starke Immunantwort benötigt wird. Nicht bekannt war, dass eine fehlgeleitete Immunantwort schwere Schädigungen hervorrufen kann – und dass neben anderen Organen auch das Zentralnervensystem von Covid-19 angegriffen werden kann.

Schwere Störung der hirneigenen Immunantwort

Ein Team von Forschenden von Uni und Uniklinik Freiburg und des dortigen  Exzellenzcluster CIBSS  (Centre for Integrative Biological Signalling) konnte jetzt nachweisen, dass sich bei Covid-19 eine schwere Entzündungsreaktion durch unterschiedliche Immunzellen um das Gefäßsystem und im zentralen Hirngewebe entwickeln kann. „Auch wenn es bereits Hinweise auf eine Beteiligung des Zentralen Nervensystems bei Covid-19 gab, hat uns das Ausmaß der Entzündung im Hirn überrascht“, kommentiert Erstautorin Henrike Salié die Ergebnisse der Studie. Demnach kann das Coronavirus nicht nur direkt Schäden anrichten, sondern auch indirekt – durch Provokation einer überschießenden Entzündungsantwort.

T-Killerzellen wandern ins Hirngewebe ein

„Im Vergleich zu anderen Hirnentzündungen sind die durch Covid-19 ausgelösten Entzündungsreaktionen einzigartig und weisen auf eine schwerste Störung der hirneigenen Immunantwort hin“, sagt Marco Prinz, Ärztlicher Direktor am Institut für Neuropathologie in Freiburg. „Insbesondere die wesentlichen Abwehrzellen im Gehirn, sogenannte Mikro-Gliazellen, werden besonders stark aktiviert und es kommt zur Einwanderung von T-Killerzellen in das Hirngewebe und Entwicklung einer ausgeprägten Neuro-Inflammation im Hirnstamm.“

„Die Immunveränderungen sind besonders in der Nähe kleiner Hirngefäße nachweisbar. In diesen Bereichen wird der Virus-Rezeptor ACE2 exprimiert, an den das Coronavirus andocken kann und dort war das Virus auch direkt nachweisbar“, sagt Bertram Bengsch, Sektionsleiter für Translationale Systemimmunologie am Freiburger Uniklinikum. „Es erscheint plausibel, dass die Immunantwort dort infizierte Zellen erkennt und sich die Entzündung dann auf das Nervengewebe ausbreitet und so für Beschwerden sorgt.“

Durch die Anwendung einer neuartigen Messmethode, die bildgebende Massenzytometrie, konnten in dem Forschungsprojekt laut einer Mitteilung der Uni Freiburg unterschiedliche Zelltypen des Immunsystems und Virus-infizierte Zellen und deren räumliches Zusammenwirken in bisher unbekanntem Detail untersucht werden. Studien-Erstautor Marius Schwabenland berichtet: „Gerade die vielen sogenannten Mikro-Gliaknötchen lassen sich im gesunden Hirn sonst nicht finden.“

Mikro-Gliazellen: Wenn Reinigungszellen verrücktspielen

Mikro-Gliazellen sind Zellen im Zentralnervensystem, die selbst aber keine Nervenzellen sind. Experten beschreiben sie als eine Art Bindeglied zwischen Nerven- und Immunsystem. Im intakten Gehirn haben sie eine Reinigungsfunktion. Im infizierten oder verletzten Gehirn dämmen sie Schäden ein, bekämpfen Erreger, locken weitere Immunzellen an und präsentieren ihnen Antigene. Während sie bei akuten Störungen entzündungshemmend wirken, können sie bei länger andauernden Störungen zu chronischen Entzündungen beitragen.

Behandlungsvorschlag: Immunmodulierende Medikamente

Als mögliche Behandlungsstrategie gegen diese Entzündungsprozesse schlagen die Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine frühzeitige immunmodulierende oder immunsuppressive Therapie vor: Also Medikamente, die die Wirkung des Immunsystem verändern beziehungsweise dämpfen.

Hauptkategorie: Corona
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