COVID-19 bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Leiden: Über systemische Gefäßentzündung zum Organversagen und Tod

Forscher finden Coronavirus in Organen Verstorbener: COVID-19 ist auch eine systemische Gefäßentzündung, die zu Organversagen führen kann – Foto: ©Hoda Bogdan - stock.adobe.com
Virale, schwierig zu behandelnde Lungenentzündungen – diese Komplikation ist typisch für COVID-19. Doch einige Patienten entwickeln im Laufe der Zeit ein Organversagen und sterben schließlich daran. Warum Patienten auch lebensgefährliche Versagen anderer Organe als der Lunge erleiden, war bisher unklar. Ein interdisziplinäres Team des Universitätsspitals Zürich konnte nun zeigen, dass SARS-CoV-2 direkt Entzündungen in den Gefäßen auslöst und so zu Organversagen bis zum Tod führen kann.
Coronavirus im Endothel verschiedenster Organe nachgewiesen
Die Untersuchungen fanden an Gewebeproben von verstorbenen COVID-19-Patienten nach einer Autopsie statt. Dabei fanden die Pathologen entzündetes Endothel in verschiedensten Organen. Dass diese Entzündungen durch das Coronavirus ausgelöst wurde, zeigte sich unter dem Elektronenmikroskop, wo sowohl das Virus direkt im Endothel als auch der von ihm ausgelöste Zelltod nachgewiesen werden konnte.
Das Endothel ist eine Zellschicht, die eine Art Schutzschild in den Gefäßen bildet und verschiedene Prozesse in den Mikrogefässen regelt und ausgleicht. Ist dieser Regelungsprozess gestört, kann dies beispielsweise Durchblutungsstörungen in den Organen oder in Körpergewebe auslösen, die zum Zelltod und damit zum Absterben dieser Organe oder Gewebe führen.
ACE2-Rezeptoren sind Eintrittspforte
Die Züricher Forscher schlossen daraus, dass das Virus nicht wie bisher vermutet über die Lunge, sondern über die im Endothel vorkommenden ACE2-Rezeptoren die körpereigene Verteidigung direkt angreift, sich darüber verteilt und zu einer generalisierten Entzündung im Endothel führt, die dessen Schutzfunktion zum Erliegen bringt.
„Wir konnten mit unserer Untersuchung den Beweis für unsere Hypothese beibringen, dass COVID-19 nicht nur die Lunge sondern die Gefäße aller Organe betreffen kann“, sagt Studienautor Prof. Frank Ruschitzka vom Universitätsspital Zürich. COVID sei somit eine systemische Gefäßentzündung, „wir sollten das Krankheitsbild von nun als COVID-Endotheliitis beschreiben“, so der Mediziner.
Gefäßverschlüsse im Hirn und Darm
Eine systemische Endotheliitis ist eine Entzündung des gesamten Endothels im Körper, die Gefäße in Herz-, Hirn-, Lungen- und Nieren und Darmtrakt umfasst. Die Folgen sind schwere Mikrozirkulationsstörungen, die das Herz schädigen, Lungenembolien und Gefäßverschlüsse im Hirn und im Darmtrakt auslösen und zum Multiorganversagen bis zum Tod führen können.
Da bei Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder koronaren Herzkrankheiten das Endothel bereits geschwächt ist, haben sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Das war ziemlich bald nach Ausbruch der Pandemie bekannt, nun gibt es die passende Erklärung.
„Das Endothel jüngerer Patienten kommt mit dem Angriff der Viren meistens gut zurecht“, sagt Frank Ruschitzka, aber Menschen mit diesen Vorerkrankungen sind besonders gefährdet weil bei ihnen vor allem in der Phase, in der sich das Virus am stärksten vermehrt, die schon geschwächte Endothelfunktion noch weiter abnimmt.“
Die Therapie bei Risikopatienten müsse darum an zwei Stellen ansetzen: Virusvermehrung hemmen und gleichzeitig das Gefäßsystem der Patienten schützen und stabilisieren. Die Studie “Endothelial cell infection and endotheliitis in COVID-19” ist soeben im Fachmagazin “The Lancet” erschienen.
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