Coronavirus in menschlicher DNA nachgewiesen: Erklärt das die Ursache von Long-Covid?

Teile des Virus können im menschlichen Erbgut verbleiben. Eine Folge könnte Long Covid sein – Foto: © Adobe Stock/ Macleg
Es gibt immer wieder Berichte, wonach Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, auch noch Wochen und Monate im PCR-Test positiv sind. Zum Teil wurde spekuliert, dass es sich um Re-Infektionen handelt, was bedeuten würde, dass man sich mehrmals anstecken kann.
Nun steht eine weitere These im Raum, die nicht weniger beunruhigend ist. Danach nisten sich Teile des Virus in der menschlichen DNA ein. Herausgefunden hat das der amerikanische Zellbiologe Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology MIT. Er gilt als Koriphäe auf seinem Gebiet. Gemeinsam mit Kollegen konnte Jaenisch in Laborexperimenten zeigen, dass SARS-COv-2 in der Lage ist, sich rückwärts in die DNA umzuschreiben, obwohl es ein RNA-Virus ist.
Virus in der DNA nicht vermehrungsfähig
Normalerweise können das nur Retroviren wie HIV. Doch das Coronavirus kann offenbar auch diesen Rückwärtsgang in den Zellkern einlegen und sich ins Chromosom einbauen. Allerdings seien die in der DNA nachgewiesenen Virusteile nicht mehr infektiös (im Gegensatz zu HIV & Co.), wie das Team um Jaenisch im Fachmagazin PNAS vom 6. Mai berichtet.
Der Virologe Alexander Kekulé bewertet die Arbeit als stichhaltig und bedeutsam. „Die Annahme, dass das eine echte Integration ist von umgeschriebener Virus-RNA in das Chromosom, ist richtig“, erklärte er im MDR-Podcast. „Das wäre meine ganz spektakuläre Erklärung dafür, dass Leute manchmal nach drei Monaten immer noch positiv sind.“ Dafür spricht, dass bei vielen Langzeit-Positiven zwar die RNA des Coronavirus nachgewiesen werden konnte, aber kein vermehrungsfähiges Virus.
Virale Proteine könnten Treiber von Long-Covid sein
Die Studienautoren spekulieren darüber hinaus, dass es einen Zusammenhang mit Long-Covid geben könnte. Etwa 10 Prozent der Betroffenen leiden noch Wochen oder Monate nach der Infektion an diversen Symptomen. Man nimmt an, dass die Patienten ein überaktiviertes Immunsystem haben, das offenbar immer noch Zellen zerstört. „Es könnte sein, dass wir da nichts anderes beobachten als das Ergebnis von solchen integrierten Virusteilen, die dann da ständig in bestimmten Zellen kleine Mengen viraler Proteine fabrizieren“, vermutet Alexander Kekulé. „Und dass dadurch das Immunsystem so ständig eine Entzündungsreaktion macht, obwohl das Virus längst weg ist.“
Das ist zwar im Moment noch reine Spekulation. Doch die wird von Berichten gestützt, wonach es Long-Covid-Patienten nach einer Impfung – speziell nach einer mRNA-Impfung - besser geht. „Das würde das alles erklären“, sagte Kekulé.
Neurologische Symptome passen zu dem Befunde aus den USA
Die Rückumschreibung von RNA in DNA wird Reverse Transkriptase genannt. Sie wird durch sogenannte LINE-Elemente angestoßen, die sich in der DNA befinden und von denen normalerweise nur wenige aktiv sind. Nach Virusinfektionen steigt der Anteil der aktiven Line-Elemente, auch nach einer Infektion mit SARS-COV-2.
Kekulés Arbeitshypothese: Bei der Virusinfektion kommt es zu einer Aktivierung dieser Elemente, die diese Rever Transkription (Umschreibung von RNA in DNA) ermöglichen können. Besonders interessant: Line-Elemente speziell Line 1 sind auch bei viele neurologischen Erkrankungen hochreguliert. Und hier schließt sich laut Kekulé der Kreis zu den vielen neurologischen Symptomen wie Corona Fog, von denen Long-Covid-Patienten berichten. „Es würde alles passen wie die Faust aufs Auge.“
Dass der gleiche Mechanismus auch durch eine mRNA-Impfung angestoßen werden könnte, hält der Virologe für ausgeschlossen. „Diese Aktivierung, die gibt es nach der Impfung nicht. Zumindest haben wir keine Hinweise darauf.“