Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Coronavirus in menschlicher DNA nachgewiesen: Erklärt das die Ursache von Long-Covid?

Sonntag, 16. Mai 2021 – Autor:
Einige Menschen sind noch Monate nach der Infektion positiv im PCR-Test. Nun hat ein renommierter Forscher aus den USA eine mögliche Erklärung gefunden: Teile des Virus nisten sich in der menschlichen DNA ein. Möglicherweise könnte dies auch eine Ursache für Long-Covid sein.
Teile des Virus können im menschlichen Erbgut verbleiben. Eine Folge könnte Long Covid sein

Teile des Virus können im menschlichen Erbgut verbleiben. Eine Folge könnte Long Covid sein – Foto: © Adobe Stock/ Macleg

Es gibt immer wieder Berichte, wonach Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, auch noch Wochen und Monate im PCR-Test positiv sind. Zum Teil wurde spekuliert, dass es sich um Re-Infektionen handelt, was bedeuten würde, dass man sich mehrmals anstecken kann.

Nun steht eine weitere These im Raum, die nicht weniger beunruhigend ist. Danach nisten sich Teile des Virus in der menschlichen DNA ein. Herausgefunden hat das der amerikanische Zellbiologe Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology MIT. Er gilt als Koriphäe auf seinem Gebiet. Gemeinsam mit Kollegen konnte Jaenisch in Laborexperimenten zeigen, dass SARS-COv-2 in der Lage ist, sich rückwärts in die DNA umzuschreiben, obwohl es ein RNA-Virus ist.

Virus in der DNA nicht vermehrungsfähig

Normalerweise können das nur Retroviren wie HIV. Doch das Coronavirus kann offenbar auch diesen Rückwärtsgang in den Zellkern einlegen und sich ins Chromosom einbauen. Allerdings seien die in der DNA nachgewiesenen Virusteile nicht mehr infektiös (im Gegensatz zu HIV & Co.), wie das Team um Jaenisch im Fachmagazin PNAS vom 6. Mai berichtet.

Der Virologe Alexander Kekulé bewertet die Arbeit als stichhaltig und bedeutsam. „Die Annahme, dass das eine echte Integration ist von umgeschriebener Virus-RNA in das Chromosom, ist richtig“, erklärte er im MDR-Podcast. „Das wäre meine ganz spektakuläre Erklärung dafür, dass Leute manchmal nach drei Monaten immer noch positiv sind.“ Dafür spricht, dass bei vielen Langzeit-Positiven zwar die RNA des Coronavirus nachgewiesen werden konnte, aber kein vermehrungsfähiges Virus.

Virale Proteine könnten Treiber von Long-Covid sein

Die Studienautoren spekulieren darüber hinaus, dass es einen Zusammenhang mit Long-Covid geben könnte. Etwa 10 Prozent der Betroffenen leiden noch Wochen oder Monate nach der Infektion an diversen Symptomen. Man nimmt an, dass die Patienten ein überaktiviertes Immunsystem haben, das offenbar immer noch Zellen zerstört. „Es könnte sein, dass wir da nichts anderes beobachten als das Ergebnis von solchen integrierten Virusteilen, die dann da ständig in bestimmten Zellen kleine Mengen viraler Proteine fabrizieren“, vermutet Alexander Kekulé. „Und dass dadurch das Immunsystem so ständig eine Entzündungsreaktion macht, obwohl das Virus längst weg ist.“

Das ist zwar im Moment noch reine Spekulation. Doch die wird von Berichten gestützt, wonach es Long-Covid-Patienten nach einer Impfung – speziell nach einer mRNA-Impfung - besser geht. „Das würde das alles erklären“, sagte Kekulé.

Neurologische Symptome passen zu dem Befunde aus den USA

Die Rückumschreibung von RNA in DNA wird Reverse Transkriptase genannt. Sie wird durch sogenannte LINE-Elemente angestoßen, die sich in der DNA befinden und von denen normalerweise nur wenige aktiv sind. Nach Virusinfektionen steigt der Anteil der aktiven Line-Elemente, auch nach einer Infektion mit SARS-COV-2.

Kekulés Arbeitshypothese: Bei der Virusinfektion kommt es zu einer Aktivierung dieser Elemente, die diese Rever Transkription (Umschreibung von RNA in DNA) ermöglichen können. Besonders interessant: Line-Elemente speziell Line 1 sind auch bei viele neurologischen Erkrankungen hochreguliert. Und hier schließt sich laut Kekulé der Kreis zu den vielen neurologischen Symptomen wie Corona Fog, von denen Long-Covid-Patienten berichten. „Es würde alles passen wie die Faust aufs Auge.“

Dass der gleiche Mechanismus auch durch eine mRNA-Impfung angestoßen werden könnte, hält der Virologe für ausgeschlossen. „Diese Aktivierung, die gibt es nach der Impfung nicht. Zumindest haben wir keine Hinweise darauf.“

Hauptkategorien: Corona , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Coronavirus

Weitere Nachrichten zum Thema Long-Covid

25.03.2021

Über mögliche Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung ist bereits vieles bekannt. Forscher wollten nun wissen, wie die Impfung auf Patienten mit Long Covid wirkt. Könnte sie die Symptome verschlimmern?

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Chronische Fatigue gehört zu den häufigen Langzeitfolgen einer Covid-Infektion. Oft bessert sich der zermürbende Erschöpfungszustand nach einigen Wochen oder Monaten von allein. Doch einige Patienten entwickeln das Vollbild einer myalgischen Enzephalopathie/ Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS). Gesundheitsstadt Berlin hat mit Professor Carmen Scheibenbogen von der Charité über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten des schweren Krankheitsbilds gesprochen.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin