Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Coronaviren im Abwasser: Aussagekräftiger als die Inzidenzzahlen der Gesundheitsämter?

Donnerstag, 24. Februar 2022 – Autor:
Die amtliche Corona-Statistik hinkt der realen Lage zumindest Tage hinterher. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeitet an einem „abwasserbasierten Frühwarnsystem“, das bundesweit das Infektionsgeschehen präziser abbilden und neue Virus-Varianten schneller erkennen können soll: durch Corona-Tests an kommunalem Abwasser. Hier sollen Viren schon nachweisbar sein, bevor die Infizierten überhaupt Symptome zeigen.
Mitarbeiter einer Kläranlage entnimmt Wasserprobe.

Die Analyse von Abwasser soll das Infektionsgeschehen präziser und quasi in Echtzeit abbilden und damit künftig der pandemischen Lagebeurteilung eine neue Qualität geben. – Foto: AdobeStock/Avatar_023

Bis Covid-19-Symptome auftreten, Tests die Infektion bestätigen und die meldepflichtige Krankheit über die Meldungen der Gesundheitsämter in der amtlichen Statistik sichtbar wird, dauert es Tage. Die täglich aktualisierten amtlichen Inzidenzzahlen bilden deshalb letztlich ein Infektionsgeschehen ab, das längst Vergangenheit ist. Wenn ein Infizierter ohne Symptome den Toilettenknopf drückt, ist die Probe innerhalb von Minuten in den kommunalen Kläranlagen, wo sie auf Coronaviren hin untersucht werden kann. Als schnelle Alternative zur Pandemie-Bestimmung durch individuelle Tests arbeitet das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) deshalb an einem „abwasserbasierten Frühwarnsystem“ mit kollektiven Tests.

Fallzahlen schneller erheben, Infektionsgeschehen präziser abbilden

Bereits mehrere Tage bevor die ersten Krankheitssymptome auftreten, sind Coronaviren nach Angaben des KIT bereits im Abwasser nachweisbar. „Dies bietet die Möglichkeit, die Fallzahlen schneller erheben, das Infektionsgeschehen präziser abbilden sowie neue Covid-19-Varianten und deren Verbreitung früher erkennen zu können“, heißt es in einer Mitteilung des Karlsruher Instituts. Der dort koordinierte Projektverbund „Systematische Überwachung von SARS-CoV-2 im Abwasser“ will diese Potenziale erschließen und prüfen, ob und gegebenenfalls wie in Deutschland ein abwasserbasiertes Covid-19-Frühwarnsystem umgesetzt werden kann.

Abwassermonitoring zur Pandemie-Eindämmung nutzen

„Dieses ressortübergreifende Forschungsvorhaben bietet die Chance, das wissenschaftliche Know-how und bisherige Erfahrungen im Abwassermonitoring deutschlandweit zu bündeln und bei der Eindämmung der Covid-19-Pandemie systematisch zu nutzen“, sagt Verena Höckele, Projektkoordinatorin am KIT. Die Europäische Union fördert das Vorhaben mit rund 3,7 Millionen Euro.

PCR-Tests an Abwasserproben statt an Menschen

In das im Februar gestartete und ein Jahr laufende Pilotprojekt steigen sukzessive bundesweit 20 Standorte ein. An diesen werden zweimal pro Woche und über einen Zeitraum von jeweils 24 Stunden Mischwasserproben aus dem Zulauf der Kläranlagen entnommen, aufbereitet und mittels eines PCR-Tests analysiert. Anschließend sollen die Ergebnisse mit den Pandemiedaten der örtlichen Gesundheitsämter verknüpft werden und nach Möglichkeit in die pandemische Lagebeurteilung einfließen.

Dunkelziffer, Verbreitung und Mutationen schneller erkennbar

„Das Verfahren, die Häufigkeit und Dynamik von Sars-CoV-2 Viren über das kommunale Abwasser zu bestimmen, wurde in Deutschland bereits im Zuge einzelner Forschungsprojekte erfolgreich erprobt“, so Harald Horn, Leiter des Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT. Es könne nicht nur dazu beitragen, die Dunkelziffer von Infizierten besser abzuschätzen, sondern auch die Verbreitung von Varianten und Mutationen schneller zu erkennen als es durch die Testung einzelner Personen möglich sei, ist Horn überzeugt.

20 Städte am Projekt beteiligt, darunter auch Berlin

Für das Pilotprojekt wurden unter 119 Bewerbern 20 Städte ausgesucht, darunter Hamburg, Bremen, Potsdam, Stuttgart, Tübingen, Köln, Bonn und Dresden. Auch die kommunalen Berliner Wasserbetriebe sind an dem Projekt beteiligt.

Omikron schwerer nachweisbar als Delta

Im Projekt wollen die Forschenden nun auf der Basis vergleichbarer Ergebnisse analysieren, welche Methoden sich für ein flächendeckendes Monitoring eignen könnten und welche Daten hierfür erhoben werden müssen, um Coronaviren im komplex zusammengesetzten Abwasser nachweisen zu können. Dies zeigt sich aktuell bei der Erfassung der Omikron-Variante, deren Virenfragmente vorwiegend über die oberen Atemwege ausgeschieden werden und im Vergleich zur Delta-Variante nur zu einem Drittel ins Abwasser gelangen. Eine besondere Herausforderung für die Wissenschaftler ist es deswegen, die Qualität der Probenentnahme, der Laboranalyse und der Datenauswertung weiter zu verbessern.

Frühwarnsystem könnte sich auch für andere Krankheiten eignen

Am Ende der Pilotphase steht die Entscheidung, ob für Deutschland ein flächendeckendes Abwassermonitoring oder eher ein repräsentatives Monitoring empfohlen werden soll. Ein solches flächendeckendes Frühwarnsystem gegen Covid-19, das sich perspektivisch auch für andere Krankheitserreger wie zum Beispiel Polio oder Grippeviren eignen würde, ist bereits in den Niederlanden, Kanada und Australien im Einsatz.

Hauptkategorie: Corona
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Infektionskrankheiten , Coronavirus , Forschung

Weitere Nachrichten zum Thema „Pandemie-Management“

12.02.2022

In Impfzentren können jeden Tag Tausende geimpft werden. Sinkt die Nachfrage, wie jetzt, stellt sich die Frage: Offen lassen, für die nächste Welle? Oder einmotten, wie beim letzten Mal – in der Hoffnung, dass die Pandemie diesmal wirklich vorüber ist. Halbleere Impfzentren verschlingen Steuergelder ohne adäquaten Nutzen. Das Land Berlin plant deshalb, die Zahl seine Impfzentren praktisch zu halbieren.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin