Corona-Blutgerinnsel: Besonders festes Material

Covid-19 ist viel mehr als eine reine Atemwegserkrankung. Was Covid-19 noch mit sich bringen kann: eine generalisierte Entzündung im Körper, Multiorganversagen – und Herz-Kreislauf-Notfälle durch eine Verstopfung von Blutgefäßen, weil die Blutgerinnung übersteigert ist. – Foto: AdobeStock/peterschreiber.media
Anfangs dachte man, Covid-19 sei vor allem schwere Form von Atemwegserkrankung. Inzwischen zeigt sich: Eine Infektion mit dem Coronavirus richtet auch in anderen Organen oder Organsystemen Schäden an oder löst dort Fehlreaktionen mit Krankheitswert aus. Eine Sars-CoV-2-Infektion kann nicht nur aufgrund einer schweren Lungenentzündung mit akutem Lungenversagen tödlich verlaufen. Sondern auch deshalb, weil die Krankheit im Körper Begleiterkrankungen produziert, die weit über die Ursprungsinfektion hinausgehen können. Wichtiges Beispiel: die krankhafte Überaktivierung von Abwehrmechanismen wie der Blutgerinnung. Die Folge: lebensbedrohliche Verstopfungen von Blutgefäßen – Herzinfarkte, Schlaganfälle, Lungenembolien. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Gießen hat jetzt herausgefunden: Corona-Blutgerinnsel sind – als Material – besonders dicht, stabil und hartnäckig.
Fast jeder dritte Intensivpatient: Probleme mit Gefäßverstopfung
Der Zusammenhang zwischen einer Sars-CoV-2-Infektion und Thrombosen/Embolien ist signifikant: Venöse Thrombo-Embolien – einschließlich tiefe Beinvenen-Thrombosen und Lungenembolien – treten bei bis zu jeder dritten Sars-CoV-2-infizierten Person in der Intensivstation auf – und zwar selbst dann, wenn die Patienten vorbeugend Medikamente zur Blutverdünnung erhielten.
„Corona-Thromben“: Viel effektiver gebildet
Um diese gefährliche Seite einer Coronavirus-Infektion noch tiefer zu ergründen, hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) jetzt Gerinnungsparameter, jetzt die Vorgänge und Bestandteile im durch Corona überaktivierten Blutgerinnungssystem von Patienten näher unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: „Die mikroskopischen und funktionellen Untersuchungen zeigen, dass ‚Corona-Thromben‘ viel effektiver gebildet wurden und ein dichteres und stabileres Gerinnsel-Netzwerk aufwiesen als solche von Influenza-Patientinnen oder -Patienten oder der gesunden Kontrollgruppe“, heißt es in einer Mitteilung der JLU.
Ins Zentrum ihrer jetzt in der Fachzeitschrift „Blood Advances“ publizierten Studie rückten die Wissenschaftler den „Blutgerinnungsfaktor XII“. Das Resultat: „Wir beobachten in Corona-Patientenplasmen, dass der dort aktivierte Gerinnungsfaktor die Blutgerinnung zusätzlich anheizen und so zur gesteigerten Gerinnselbildung beitragen kann“, sagt Professorin Malgorzata Wygrecka, Professorin in Gießen.
„Corona-Thromben“ leben länger
Hinzu kam, dass die Thromben aus den Corona-Patientenplasmen sehr resistent gegenüber einer Auflösung (Fibrinolyse) waren, da die Betroffenen auch erhöhte Spiegel von Fibrinolyse-Inhibitoren in ihrem Blut aufwiesen. Dies spricht nach Einschätzung der Studienautoren dafür, dass „Corona-Thromben“ eine längere Lebenszeit haben können und damit zu thrombo-embolischen Komplikationen in den betroffenen Personen beitragen können. Zudem fanden sich im Lungengewebe von verstorbenen Corona -Patienten massive Thrombus-Ablagerungen in Gefäßen und Lungenbläschen, an die der Gerinnungsfaktor XII/XIIa gebunden war.
Ursache für Thrombosen/Embolien: „Blutgerinnungsfaktor XII“
Fazit der Studie: Die krankhafte Gerinnungsneigung (Fachbegriff: Hyperkoagulation) im Blut von Corona-Infizierten lässt sich auf die besondere Aktivierung des Gerinnungsfaktors XII und die beschriebenen Folgereaktionen zurückführen. Die gute Nachricht dabei: Arzneistoffe zu Hemmung dieser Form von Blutgerinnung sind bereits erforscht. Sie könnten eine wirksame antithrombotische Therapie bei Corona-Patienten darstellen – ohne dies offenbar sogar ohne dass dadurch beispielsweise die Wundheilung (die ohne Blutgerinnung gar nicht funktioniert), beeinträchtigt wäre.