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Corona-App & Co.: Bevölkerung nutzt immer stärker digitale Medizin

Dienstag, 13. Dezember 2022 – Autor:
Die Corona-Pandemie hat die Aufgeschlossenheit für digitale Gesundheitsanwendungen und deren Verbreitung in der Bevölkerung offenbar gepusht, zeigt eine Repräsentativbefragung zur digitalen Gesundheit. Die Bevölkerung sei weiter als die Politik.
Älterer Mann nutzt App zur Überwachung seiner Herz-Kreislauf-Werte.

Eine Smartphone-App zur Kontrolle der Herz-Kreislauf-Werte: ein Beispiel für digitale Gesundheitsanwendungen. – Foto: AdobeStock/MclittleStock

Medizin-Apps, Video-Fitnesskurse, Online-Sprechstunden beim Arzt: Die Corona-Pandemie hat die Verbreitung und Nutzung digitaler Gesundheitsanwendung in der deutschen Bevölkerung grundlegend verändert – und sogar offenbar auf Dauer. Das besagt die diesjährige „EPatient Survey“, eine seit Jahr 2010 jährlich durchgeführte repräsentative Bevölkerungsbefragung zur digitalen Gesundheit in Deutschland.

Corona-Warn-App: „Ein Tempo wie nie zuvor im Gesundheitsbereich“

„Die Bevölkerung in Deutschland hat keine Berührungsängste mit der digitalen Medizin mehr“, heißt es in einer Mitteilung der „EPatient Analytics GmbH“, dem Berliner Marktforschungsinstitut mit Spezialgebiet E-Health-Markt, das hinter der Studie steht. Während der Corona-Pandemie habe es einen regelrechten Boom bei  der Nutzung von Gesundheits-Apps und Online-Arztsprechstunden gegeben. Konkrete Beispiele dafür: Im Jahr 2021  kam die Corona-Warn-App innerhalb weniger Wochen bei fast 50 Prozent der Bevölkerung  auf das eigene Handy. Nach Einschätzung von EPatient Analytics ist dies „eine Entwicklung mit einem Tempo, wie es sie nie zuvor im Gesundheitsbereich gegeben hat“.

Als in der Pandemie die Fitnessstudios geschlossen waren, nutzte der Studie zufolge knapp jede dritte Person einen Online-Gesundheitskurs. Jeder Zweite misst seitdem bestimmte Gesundheits-Parameter mit Smartphone, App oder Smartwatch. Schon 17 Prozent managen ihre  Medikamenten-Einnahme mithilfe einer Smartphone-App. Mit Interesse registrieren die Studienautoren, dass der durch Corona angestoßene Trend auch nach dem jetzt wahrscheinlichen Abklingen der Pandemie „fast unvermindert anhalten“. Hier weitere Beispiele dafür:

Der Trend zu digitalen Gesundheitsanwendungen in Zahlen

  • Der digitale Impfpass schaffte es innerhalb weniger Monate, sich in der Bevölkerung von 0 auf 50 Prozent zu verbreiten.
  • Online-Arztsprechstunden verbreiteten sich von 0 auf 16 Prozent – ein Wert, der sich jetzt offenbar verstetigt.
  • Jeder zweite misst Bewegung, Schlaf, Stress oder Schmerzen mit digitalen Helfern.
  • 16 Prozent scannen mit dem Handy ihr Rezept zur Online-Bestellung ein.

Digitale Medizin: Nutzung hängt von Bildung und Einkommen ab

Die jetzt vorgelegte Studie macht auch sichtbar, dass die Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen „stark vom Bildungsstand und Nettoeinkommen abhängig“ ist. Grund dafür sei die zu komplizierte Angebotslandschaft von digitalen Gesundheitslösungen. „So bestimmt der soziale Status in Deutschland, ob Prävention und ärztliche Beratung bei der Bürgerschaft auch ankommen“, kritisieren die Autoren. Als Beispiel dafür nennen sie die Online-Arztsprechstunde: Bei Personen mit Abitur oder Studium wurde sie schon zu 20 Prozent genutzt, bei Personen mit Hauptschule nur zu 11 Prozent.

Digitales Gesundheitswesen: „Deutschland fehlt nationale Strategie“

„Die Bevölkerung in Deutschland ist bei  der digitalen Nutzung von Gesundheitsangeboten weiter als die staatliche Gesundheitspolitik“, sagt Alexander Schachinger, der Leiter der Befragung. In Deutschland bestehe im Vergleich zu anderen europäischen Ländern dringender Nachholbedarf.  Es sei bisher nicht gelungen, eine nationale Strategie zu entwickeln, die sich zum Beispiel an  den Erfahrungen von Großbritannien oder Dänemark orientiere. Schachinger weist darauf  hin, dass der E-Health-Markt in Deutschland in hunderte Einzellösungen zersplittert sei, die nicht zentral vernetzt und deshalb für die medizinische Forschung nicht nutzbar seien. Sein Fazit: „Das immer wieder verschleppte Einführen einer einheitlichen IT-Infrastruktur für eine  elektronische Patientenakte führt zu einem völlig fragmentierten Marktgeschehen.“  

Studienautoren befürchten „Ausverkauf der gesundheitlichen Vitaldaten“ an Google und Amazon

Dass Deutschland der internationalen Entwicklung hinterherhinkt, birgt nach Einschätzung der Studienautoren auch ein politisches Risiko. „Die deutsche Bevölkerung ist bereit für E-Health, aber die  Politik liefert nicht. Wenn das so weitergeht, zeichnet sich der Ausverkauf der gesundheitlichen Vitaldaten der Bevölkerung in Deutschland ins Ausland ab“, sagt der wissenschaftliche Begleiter der Studie, Professor Klaus Hurrelmann von der Hertie School, eine privaten Hochschule für Unternehmensführung in Berlin. Schon heute werde der Einfluss vor allem der amerikanischen Internetkonzerne wie Google und Amazon immer  stärker, weil sie sich über ihre Angebote Zugriff auf die Vitaldaten verschafften und sich zusätzlich in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und der Gesundheitsversicherung einkauften.

EPatient Survey: Daten und Fakten zur Studie

Die „EPatient Survey“ ist nach Angaben des dahinterstehenden Marktforschungsunternehmens die bei weitem größte  Bevölkerungsbefragung zur digitalen Gesundheit in Deutschland. Die Studie wird seit 2010 im jährlichen Turnus durchgeführt. Befragt wurde eine repräsentative Auswahl von 6.000 Personen.

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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