Chronisches Fatigue Syndrom (CFS) – eine Krankheit, die kaum erforscht ist

In Deutschland sind Schätzungen zufolge bis zu 240.000 Menschen von CFS betroffen – Foto: ©adiruch na chiangmai - stock.adobe.com
Mit 28 Jahren veränderte sich das Leben der Amerikanerin Jennifer Brea radikal. Sie erkrankte an einem Infekt, von dem sie sich nicht wieder erholen sollte. Innerhalb kürzester Zeit verschlechterte sich ihr Zustand, zwei Jahre lang konnte sie nicht mehr vom Bett aufstehen. Unterstützung von Ärzten erfuhr sie kaum, und viele hielten sie für eine Simulantin oder interpretierten ihre Symptome als psychisches Leiden. Doch dann begann Brea zu recherchieren und fand im Internet Millionen Patienten mit ähnlichem Schicksal. Sie erfuhr, dass sie an einer kaum erforschten und doch sehr verbreiteten Krankheit litt: dem Chronic Fatigue Syndrom, kurz CFS.
Der Film „Unrest“, der kürzlich in den Kinos gelaufen ist, erzählt die Geschichte von Jennifer, die sich auf der Suche nach Antworten auf eine virtuelle Reise um die Welt begibt und dabei anderen CFS-Patienten begegnet, mit denen sie den Kampf gegen ihre Krankheit aufnimmt. Der Dokumentarfilm sorfte für großes Aufsehen und wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er fordert Menschen auf, sich mit einer Krankheit auseinanderzusetzen, die weltweit Millionen Menschen betrifft und dennoch kaum bekannt ist und immer noch auf viele Vorurteile stößt.
Geringste Anstrengungen verstärken die Symptome
Doch was genau ist CFS? Viele denken: Das ist doch die Krankheit, bei der man immer müde ist. Und das ist tatsächlich ein Teil der Symptome der Erkrankung, die Ärzte als chronisches Erschöpfungs- oder Fatiguesyndrom (CFS) oder auch myalgische Enzephalomyelitis (ME) bezeichnen. Doch die Symptome reichen noch viel weiter. Lähmungen, Sprachstörungen und Schmerzen schränken das Leben Betroffener so stark ein, wie sich das Nicht-Betroffene kaum vorstellen können.
Am Anfang der Erkrankung steht häufig ein Infekt, wie beispielsweise das Pfeiffersche Drüsenfieber. Danach kommt es bei den Betroffenen zu bleibender schwerer Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen. Weitere häufige Symptome sind schmerzhafte Lymphknotenschwellung, Grippegefühl, Darmbeschwerden und Schwindel. In Deutschland sind Schätzungen zufolge bis zu 240.000 Menschen von CFS betroffen. Die Beschwerden dauern häufig über Monate und Jahre an und können bis zur Berufsunfähigkeit führen.
Typisch für ME/CFS ist die Post Exertional Malaise, eine ausgeprägte Verstärkung aller Symptome nach nur geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die Post Exertional Malaise führt zu ausgeprägter Schwäche, Muskelschmerzen, grippalen Symptomen und einer Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Auch Pausen bewirken dann keine Erholung.
CFS-Patienten stoßen nach wie vor auf Vorurteile
Neben den körperlichen Beschwerden bedeutet die Verständnislosigkeit vieler Mitmenschen eine zusätzliche große Belastung für die Erkrankten. Viele denken, den Betroffenen „fehle doch eigentlich nichts“, oder die Erkrankung wird mit Depressionen verwechselt. Dabei kann CFS heute durchaus diagnostiziert werden. Dazu müssen allerdings andere Erkrankungen zunächst ausgeschlossen werden. Denn auch viele andere Krankheiten gehen mit chronischer Fatigue einher wie beispielsweise chronische Infektionen wie Hepatitis, Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, eine Krebserkrankung oder Depressionen.
Bislang gibt es keine eindeutigen Befunde – etwa Blutwerte – die CFS zweifelsfrei anzeigen. „Wenn man das Krankheitsbild aber gut kennt, ist es meist schon recht charakteristisch“, so Professor Carmen Scheibenbogen vom Institut für Medizinische Immunologie der Berliner Charité. Typisch für CFS sei, so Scheibenbogen, der relativ plötzliche Beginn nach einem Infekt. Zusätzlich gibt es bestimmte klinische Kriterien, die vorliegen sollten, um die Diagnose zu sichern. Dazu gehören etwa die Zunahme der Symptome nach Anstrengung und ihr Andauern über mindestens sechs Monate.
Bislang keine Heilung für CFS / ME
Eine gezielte Therapie oder gar Heilung des Chronischen Fatigue Syndroms steht bislang jedoch nicht zur Verfügung. In Studien werden verschiedene Behandlungsansätze erprobt. Wie Professor Scheibenbogen gegenüber Gesundheitsstadt Berlin erklärte, sollten vor allem die belastendsten Symptome wie Schmerzen und Schlafstörungen behandelt werden. Auch sollte darauf geachtet werden, mögliche Mangelzustände an Vitaminen und Mineralstoffen zu beheben. Unter Umständen kann auch eine Behandlung mit Immunglobulinen hilfreich sein.
Wichtig sind auch Maßnahmen der Verhaltensanpassung. So können Aktivitäts-Tagebücher den Patienten helfen, ihre Kräfte so einzuteilen, dass eine Verschlimmerung vermieden wird. Genannt wird das Konzept „Pacing“, also eine Anpassung der Anstrengungen an die neue Lebenssituation, die darin besteht, sich die restlichen vorhandenen Kräfte möglichst gut einzuteilen und ausgiebige Ruhephasen einzuhalten. Die gleichzeitige optimale Versorgung des Körpers mit Vitalstoffen (Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen), gesunde Ernährung sowie die Meidung und Eliminierung von Schadstoffen scheinen in einigen Fällen Besserungen herbeigeführt zu haben.
Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung
Ein weiteres Problem vieler Betroffener ist, dass die sozialstaatlichen Versorgungsträger die Krankheit CFS/ME häufig nicht anerkennen, so dass die Patienten Schwierigkeiten haben, Unterstützung zu erhalten. In dem Missverständnis, es handele sich um eine psychosomatische Erkrankung, fordern die Versorgungsträger von den Betroffenen häufig, in eine psychosomatische Rehabilitationsklinik zu gehen, was die Krankheit oft noch verschlimmert, da die dortigen Behandlungsansätze (Verhaltenstherapie und körperliche Reaktivierung) für CFS/ME-Patienten ungeeignet sind. Betroffene, die glauben oder wissen, unter dem Chronischen Fatigue Syndrom zu leiden, finden Hilfe und Informationen unter anderem bei der Selbsthilfegruppe Fatigatio, der Lost Voices Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.
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