Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Chronisches Erschöpfungssyndrom: Physio- und Psychotherapie sollen helfen

Donnerstag, 5. November 2015 – Autor:
Das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) ist bisher nicht heilbar. Nun haben Forscher die Ergebnisse einer umstrittenen Studie bestätigt, nach der Verhaltenstherapie und Physiotherapie die Beschwerden am besten lindern sollen.
Umstrittene Studie zu CFS

CFS schränkt die Lebensqualität der Betroffenen massiv ein – Foto: Niki Love - Fotolia

Patienten mit Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) leiden oft über Jahre oder Jahrzehnte an einer extrem starken geistigen und körperlichen Leistungsschwäche. Hinzu kommen Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen sowie kognitive Einschränkungen. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland rund 300.000 Menschen an CFS. Die Ursachen der Erkrankung sind bis heute weitgehend unklar und Therapien bleiben häufig ohne Wirkung. Vor vier Jahren hatten jedoch Wissenschaftler der Universität Oxford, des King´s College London und der Queen Mary University of London berichtet, dass kognitive Verhaltenstherapie und eine spezielle Bewegungstherapie eine Reduzierung der Symptome bewirken können. Nun haben sie in einer Nachfolgeuntersuchung die früheren Ergebnisse bestätigt.

Folgestudie bestätigt erste Ergebnisse

In der PACE-Studie (Pacing, graded Activity and Cognitive behaviour therapy – a randomised Evaluation“) hatten die Forscher 620 Patienten mit Chronischem Erschöpfungssyndrom in vier Gruppen eingeteilt. Alle Probanden erhielten eine medizinische Behandlung, die sogenannte adaptive Stimulationstherapie, sowie zusätzlich entweder eine kognitive Verhaltens­therapie (CBT), eine spezielle Physiotherapie (GET), eine Beschäftigungstherapie (APT) oder keine weitere Behandlung. Nach Angaben der Studienautoren wiesen diejenigen Patienten, die eine Verhaltens- oder Physiotherapie erhalten hatten, die besten Ergebnisse auf.

Vier Jahre später konnten die Forscher nun rund drei Viertel der ursprünglichen Studienteilnehmer für eine Folgeuntersuchung gewinnen. Nach Angaben der Wissenschaftler um Michael Sharpe von der Universität Oxford zeigte sich, dass die „Verbesserungen in der Müdigkeit und körperlichen Funktionsfähigkeit, welche in der ersten Studie für die kognitive Verhaltenstherapie und die Bewegungstherapie festgestellt wurden, sich langfristig gehalten haben“, so die Mitteilung der Universität Oxford. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin „The Lancet Psychiatrie“.

CFS keine „eingebildete“ Krankheit

Die PACE-Studie war kontrovers diskutiert worden. Offenbar fürchteten Betroffene und Mediziner, dass die Ergebnisse Vorurteile bestätigen könnten, nach denen das Chronische Erschöpfungssyndrom "nur“ ein psychisches Leiden beziehungsweise auf Bewegungsmangel zurückzuführen sei. Die Kritik an der Studie fiel daher heftig aus. Die Studienautoren erklären jedoch deutlich, dass ihre Ergebnisse nicht darauf schließen lassen, dass es sich bei der CFS um eine „eingebildete“ oder rein psychische Erkrankung handele. Sie sehen keinen Widerspruch ihrer Studie zu der Auffassung, dass das Chronische Erschöpfungssyndrom eine organische Krankheit sei.

Psycho- und Physiotherapie halfen auch nicht bei allen Probanden mit CFS. Bei rund zehn Prozent der Teilnehmer zeigten sich sogar Verschlechterungen. Dies galt allerdings für alle Versuchsgruppen; somit sei nicht zu befürchten, dass einige Behandlungen alles noch schlimmer machen könnten, so Professor Peter Weiss von der Queen Mary University of London. Allerdings seien die festgestellten Verschlechterungen „auch eine Mahnung, dass die Behandlungen nicht allen Betroffenen helfen können.“ Die Erforschung anderer Therapien müsse daher fortgesetzt werden.

 

Hinweis: Die PACE-Studie wird seit ihrer Veröffentlichung heftig von Patientenvertreten und internationalen Wissenschaftlern für ihre qualitativen Mängel und für die Empfehlung von Aktivierungstherapie kritisiert. Viele Patienten berichten, dass körperliche Aktivierung ihnen schadet und ihren Allgemeinzustand erheblich verschlechtern kann. Zudem widerspricht eine Aktivierungstherapie dem zentralen Symptom von ME/CFS, der Zustandsverschlechterung nach körperlicher Belastung. Quelle: Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

 

Foto: © Niki Love - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin

Weitere Nachrichten zum Thema Chronische Erschöpfung

Schon länger werden die Symptome des Chronischen Erschöpfungssyndroms (CFS) mit einem gestörten Energiestoffwechsel in den Mitochondrien in Verbindung gebracht. Eine klinische Studie hat nun erste Hinweise auf die Wirksamkeit einer Therapie mit KPAX002 gezeigt, welches ein Stimulans mit Nährstoffen zur Regulation der Mitochondrien kombiniert.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin