Chronischer Juckreiz kann viele Ursachen haben

Chronischem Juckreiz liegen verschiedene Erkrankungen zugrunde – Foto: © Adobe Stock/ Ulrich
Bei Juckreiz liegt es nahe, zunächst an eine Hauterkrankung zu denken. Tatsächlich kann ein Juckreiz aber ganz unterschiedliche Ursachen haben. Denn Juckreiz ist nur ein Symptom. Es dient als Warnzeichen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Akut kann Juckreiz zum Beispiel nach einem Insektenstich auftreten, als allergische Reaktion auf einen bestimmten Stoff aus der Umwelt oder im Zuge einer Wundheilung. In diesen Fällen verschwindet das Symptom nach einer gewissen Zeit. Hält der Juckreiz länger als sechs Wochen an, sprechen Mediziner von chronischem Pruritus - einem chronischen Juckreiz.
Breit Palette an Ursachen
Menschen mit Neurodermitis oder Schuppenflechte sind davon betroffen, aber sie sind bei weitem nicht die einzigen: Hinter einem langanhaltenden Juckreiz können auch zahlreiche internistische Erkrankungen stecken. Ursachen können zum Beispiel Diabetes mellitus oder ein chronisches Nierenleidens sein. Chronischer Juckreiz kann aber auch bei einer Eisenmangelanämie oder aber im Zusammenhang mit Infektionen wie HIV oder Herpes Zoster (Gürtelrose) auftreten.
„Pruritus ist eine interdisziplinäre diagnostische und therapeutische Herausforderung und es ist daher sinnvoll, das Symptom chronischer Pruritus unabhängig von der Grunderkrankung in den Blick zu nehmen“, betont Professor Sonja Ständer, Leiterin des „Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus“ am Universitätsklinikum München (LMU). Ständer hat an der Leitlinie „chronischer Pruritus“ mitgewirkt, die unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) nun aktualisiert wurde.
Chronischer Juckreiz muss individuell behandelt werden
Die neue Leitlinie gibt ausführliche Therapieempfehlungen und betont die Notwendigkeit, die subjektive Belastung der Patientinnen und Patienten für Diagnose und Behandlung zu erheben und zu berücksichtigen. Betroffenen wird zum Beispiel empfohlen, ein Symptomtagebuch zu führen. Das gibt es mittlerweile auch in App-Form. Anhand der so gesammelten Informationen können Ärzte den Verlauf besser beurteilen und entsprechende Therapieentscheidungen treffen.
„Es gibt keine allgemeingültige, einheitliche Therapie von chronischem Pruritus, da es eine hohe Diversität der möglichen zugrundeliegenden Ursachen und der unterschiedlichen Patientenkollektive gibt“, sagt Dermatologin Ständer. „Es sollten also individuelle Therapiepläne erstellt werden.“ In der Leitlinie geben die Tabellen 12-19 einen Überblick über evidenzbasierte, symptomatische Therapieempfehlungen, die aus Phototherapie, topischen und systemischen Medikamenten bestehen.
Für die Behandlung der Prurigo nodularis, einer Hauterkrankung, die durch juckende Hautknötchen vor allem an den Extremitäten gekennzeichnet ist, kommt die Expertengruppe zu einigen neuen Empfehlungen. Als Grundlage dienten Fallberichte. Als systemisches Immunsuppressivum kann Cyclosporin A zur Therapie bei chronisch nodulärer Prurigo empfohlen werden und Methotrexat sowie Azathioprin können als Therapie erwogen werden. Thalidomid/ Lenalidomid wird nicht empfohlen. Das Biologikum Dupilumab kann zur Therapie bei chronisch nodulärer Prurigo (derzeit noch off-label) ebenfalls erwogen werden.
Fast jeder sechste Erwachsene betroffen
Unter anhaltendem Juckreiz bei verschiedenen zugrundeliegenden Erkrankungen leiden in Deutschland etwa 13 bis 17 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Nur die Hälfte von ihnen erhält eine kontinuierliche ärztliche Betreuung und nur sieben Prozent eine Therapie.
„Die Umsetzung der Empfehlungen wird bei den Patientinnen und Patienten zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen“, ist Professor Silke Hofmann von der DDG überzeugt. „Vor allem der fachübergreifende Ansatz und die Mitarbeit von Expertinnen und Experten aus anderen Fachgesellschaften werden helfen, diese wichtigen Inhalte weit zu verbreiten.“
An der S2k-Leitlinie waren insgesamt 17 Fachgesellschaften und Organisationen sowie Patientenvertreter beteiligt. Die Leitlinie richtet sich praktisch an sämtliche internistische Disziplinen, einschließlich Hausärzte, Gynäkologen und Kinderärzte.