Chronische Wunden bleiben Sorgenkind der Pflege
Die sogenannte "Moderne" Wundversorgung sei inzwischen 50 Jahre alt und werde den wachsenden Herausforderungen in der Wundtherapie nicht mehr gerecht, beklagten Ärzte und Pfleger auf dem Pflege Kongress Ende Januar in Berlin. Für viele Betroffene bedeute die Erkrankung zudem erhebliche Einbussen in der Lebensqualität und soziale Isolation. "Es gibt zahlreiche Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen chronischen Wunden und Depressionen belegen", betonte die pflegerische Expertin für Wundversorgung Kerstin Protz aus Hamburg. "Und die Amputation bedeutet für viele Patienten dann das Aus." Neue Behandlungsoptionen für Menschen mit chronischen Wunden seien daher dringend geboten, so die Experten einstimmig auf dem Kongress.
Chronische Wunden: Therapien
Neue Therapieansätze sind zwar in Sicht, doch die meisten sind teuer und bleiben spezialisierten Zentren vorbehalten. Dazu zählen etwa die neue Vakuumtherapie VAC-Instill, die Stammzelltherapie und eine neuartige Plasmastrahlbehandlung, dieKeime reduzieren und die Wundheilung fördern soll. "Der Nachteil dieser Therapien ist, dass sie für den praktischen Einsatz im ambulanten Bereich nicht geeignet sind", kommentierte die ICW-Wundexpertin Zeynep Babadagi-Hardt, die in Duisburg einen ambulanten Pflegedienst und eine Akademie betreibt. Anders Wachstumsfaktoren und ein Hämoglobin-Spray: Beide Präparate präsentieren eine neue Generation in der Wundtherapie - und können von Pflegdiensten angewendet werden. Jedoch sei eine Tube Wachstumsfaktoren mit knapp 1 000 Euro extrem teuer und werde nur in wenigen Fällen von den Kassen erstattet, gab Hardt zu bedenken. Ein in Mexiko zugelassener Hämoglobin-Spray, der den Wunden den zur Wundheilung benötigten Sauerstoff zuführt, kommt demnächst auch in Deutschland auf den Markt. "Mit wenigen Euro pro Behandlung wäre dieses Produkt tatsächlich bezahlbar", kommentierte Hardt den Spray. "In Sachen Wirksamkeit bin ich gespannt, ob die vielversprechenden Ergebnisse aus Mexiko bestätigt werden können".
Zusammenarbeit zwischen allen Fachgruppen erforderlich
Der Diabetesexperte Dr. Alexander Risse vom Diabeteszentrum am Klinikum Dortmund verwies unterdessen auf die besondere Problematik beim Diabetischen Fusssyndrom (DFS). Dieses verursacht - neben Unterschenkelgeschwüren (Ulcus cruris) und Dekubitus - einen Grossteil der chronischen Wunden. "Noch immer werden Zehen, Füsse oder ganz Beine amputiert, weil Ärzte die Neuropathie verkennen und fälschlicherweise eine okklusive Mikroangiopathie diagnostizieren", sagte Risse. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten sei eine intensivere und vor allem strukturierte Zusammenarbeit zwischen allen Fachgruppen erforderlich. Dieses Ziel will Risse zusammen mit anderen Experten durch den Aufbau eines bundesweiten Registers "Diabetisches Fusssyndrom" erreichen. Von dem deutschlandweiten DFS-Register versprechen sich Risse und seine Mitstreiter ähnliche Erfolge wie sie die Fussnetze in Nordrhein erzielen konnten. Dort haben die seit Jahren etablierten Fussnetzwerke und die daran geknüpften IV-Verträge einen echten Qualitätssprung bewirkt: Die Majoramputationsraten sind von über zehn auf unter zwei Prozent zurückgegangen.