„Choosing wisely“ kommt nach Deutschland
Weder eine Unter- noch eine Überversorgung ist gut. Die Amerikaner haben das längst erkannt und die Initiative "Choosing wisely" gegründet. Jetzt wird es auch in Deutschland eine vergleichbare Kampagne geben. Unter dem Titel „Klug entscheiden“ will die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) das Bewusstsein für überflüssige Behandlungen schärfen. Ähnlich wie in den USA soll es auch in Deutschland Listen geben, welche Diagnostik- oder Therapiemaßnahmen trotz fehlender Evidenz häufig durchgeführt werden. Beispiele gibt es genügend, etwa das MRT bei Rückenbeschwerden oder das Antibiotikum bei einer Erkältung.
Ziel der "Klug-Entscheiden-Initiative" ist gute Versorgung
Überflüssige Maßnahmen belasteten das Gesundheitssystem und könnten den Patienten teilweise sogar schaden, sagte DGIM-Generalsekretär Prof. Ulrich Fölsch bei der Vorstellung der Kampagne am 5. Februar in Berlin. „Mit der Initiative Klug entscheiden wollen wir eine hohe Qualität der evidenzbasierten Patientenversorgung langfristig sicherstellen und Platz für neue Ressourcen schaffen“, sagte er.
Die Ursachen für Übertherapien sieht der Internist einmal in einem falschen Anreizsystem. „Ärzte werden nun mal dafür bezahlt, dass sie etwas tun und nicht dafür, dass sie nichts tun“, so Fölsch. Das verführe dazu, manchmal mehr zu tun als notwendig sei. Zum anderen spiele auch die Angst des Arztes, etwas zu übersehen, eine Rolle, ebenso hätten die Patienten oft hohe Ansprüche. Die Initiative richtet sich daher an Ärzte und Patienten gleichermaßen. Der DGIM gehe es auch um eine partizipative Entscheidungsfindung, sagte Fölsch.
Mitstreiter will die DGIM in anderen Fachgesellschaften, Patientenvertretern und den Kassen gewinnen. Das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin und die Gesundheitspolitik sollen ebenfalls mit eingebunden werden.
Zuviel ist genauso schlecht wie zu wenig
Eine Taskforce „Klug entscheiden“ ist der DGIM zufolge bereits gebildet worden und erarbeitet jetzt umfangreiche Kataloge mit kurzen knappen Empfehlungen zur Unterlassung. Auf der amerikanischen Internetseite von "Choosing wisely" steht zum Beispiel eine Empfehlung, wann eine Krebsbehandlung keinen Sinn mehr macht oder dass Tests auf HPV nur bei Risikopatienten durchgeführt werden sollten. Kopieren von den USA ginge aber nicht, meinte Ulrich Fölsch. Dazu seien die Gesundheitssysteme zu verschieden.
Überversorgung und Unterversorgung stehen in Deutschland schon lange in der Kritik. Im AOK Krankenhausreport und im Faktencheck der Bertelsmann Stiftung sind zahlreiche Beispiele dokumentiert. Zuletzt hatte die Bertelsmann Stiftung gezeigt, dass in wohlhabenden Regionen Deutschlands bis zu dreimal mehr Patienten ein künstliches Kniegelenk erhalten als in ärmeren Regionen.
Möglicherweise werde die Initiative „Klug entscheiden“ auch Positiv-Listen erarbeiten, hieß es. Diese würden sich dann auf die Bereiche der Unterversorgung konzentrieren.
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