Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Chirurgen wollen OP-Fehler analysieren

Sonntag, 30. März 2014 – Autor:
Jedes Jahr steigen die Schadensersatzzahlungen für Behandlungsfehler bei Operationen um etwa sechs Prozent. Chirurgen wollen deshalb passgenaue Instrumente zur Risikominimierung entwickeln. Ein Modellprojekt ist in Vorbereitung.
Chirurgen wollen OP-Fehler analysieren

Sind bestimmte Operationen fehleranfälliger als andere? Ein Modellprojekt will Antworten finden

Behandlungsfehler bei operativen Eingriffen werden für Deutschlands Krankenhäuser immer teurer. Nicht etwa weil die Zahl der ärztlichen Kunstfehler gestiegen wäre, sondern weil die Schadenssummen pro Fall, die vor Gericht erstritten werden, stark gestiegen sind. Nach Auskunft des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) Dr. Christian Kugler steigen die Zahlungen für Behandlungsfehler bei Operationen jedes Jahr um sechs Prozent – und das nun schon seit vielen Jahren. Folglich sind auch die Haftpflichtversicherungsbeiträge für Krankenhäuser explodiert: Während deutsche Krankenhäuser 2012 rund 350 Millionen Euro zahlten, um sich gegen Schadensersatzansprüche zu versichern, waren es 2013 bereits 550 Millionen Euro – eine Steigerung um 60 Prozent. Zugleich zogen sich etliche große Versicherer aus dem Krankenhausgeschäft zurück. Ein Umstand, der den ohnehin klammen Kliniken große Sorgen bereitet.

Operationen bald nicht mehr versicherbar

„Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, sind Operationen bald nicht mehr versicherbar“, erklärte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Dr. med. Joachim Jähne auf dem Chirurgenkongress in Berlin. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, bereiten Lungenchirurgen jetzt mit dem Versicherungsmakler Ecclesia ein Modellprojekt vor. Bei dem Vorhaben soll anhand konkreter Schadensfälle analysiert werden, welche Umstände zu Behandlungsfehlern führen. Ziel sei es, passgenaue Prophylaxe-Instrumente zur Risikominimierung in der Chirurgie zu entwickeln, sagte DGT-Präsident Kugler in Berlin.

Für die Analyse will der Versicherer Ecclesia umfangreiche Datensätze zur Verfügung stellen, die detaillierte Ablaufbeschreibungen von Schadensfällen aus Hunderten von Krankenhäusern der vergangenen fünfzehn Jahren enthalten. „Auf Basis dieser Datenbank wollen wir beispielsweise analysieren, ob es bestimmte Operationen oder Operationstechniken gibt, die mit einem hohen Fehlerrisiko belegt sind“, erläutert DGT-Präsident Kugler. Weiter wolle man Fragen nachgehen, ob es etwa bestimmte Anforderungen an die medizinische Erfahrung gibt, mit denen Risiken gemindert werden könnten. Oder wie Schadensketten zustande kommen.

Aus Schadensanalysen werden neue Leitfäden für Chirurgen entwickelt

„Am Ende der Analyse steht die Entwicklung von passgenauen Prophylaxe-Instrumenten zur Schadensvorbeugung“, so Kugler. „Sollte dies gelingen, besteht die Möglichkeit, ein Anforderungsprofil für operativ tätige Fachabteilungen zu entwickeln, unter dem Versicherungsunternehmen wieder bereit sein könnten, die potenziellen Schadensfälle zu versichern.“ Erste Projektergebnisse sollen in etwa einem halben Jahr vorliegen.

Chirurgen bemühen sich schon seit Jahren um Fehlervermeidung, etwa mit Kontroll-Checklisten oder dem so genannten „Time Out“, ein Moment des geistigen Innehaltens vor dem ersten Schnitt. Inwieweit diese Maßnahmen aber tatsächlich die Realität in der Chirurgie abbilden, ist nach Ansicht Kuglers nicht wirklich geklärt. „Gut möglich, dass noch ganz andere Faktoren wie etwa Schlafmangel oder Konzentrationsstörungen eine wichtige Rolle spielen.“ In dem Modell-Projekt zur Risikominimierung bei Lungen-OPs werde deshalb allen denkbaren Einflussfaktoren nachgegangen.

Foto: © Kzenon - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Chirurgie , Operation , Behandlungsfehler

Weitere Nachrichten zum Thema Behandlungsfehler

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Wie kann man die Überlebenschancen bei Bauchfellkrebs verbessern? Die Expertin Professor Beate Rau, Leiterin des Peritonealkarzinosezentrums der Charité, berichtet über eine neue Kombinationstherapie gegen Bauchfellkrebs und wie Patienten davon profitieren können.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin