Chefs Liebling: Viele kündigen genau deswegen

„Inkonsistentes" Führungsverhalten: Manche Beschäftigte werden von Vorgesetzten bevorzugt, andere benachteiligt. – Foto: AdobeStock/Андрей Яланский
Wenn alle Mitarbeiter eines Teams oder Unternehmens gleich schlecht behandelt werden, ist die Fluktuation durch Kündigungen geringer als wenn manche gut und manche schlecht behandelt werden. Das zeigt eine Studie der privaten Wirtschaftshochschule „Kühne Logistics University“ in Hamburg. Untersucht wurden dabei die Folgen von inkonsequenter, schlechter oder gar feindseliger Führung für Arbeitnehmer und Unternehmen. Paradoxes Ergebnis: Auch die dezidierte Bevorzugung durch die zuständige Führungskraft kann Angestellte dazu bringen, ihr Unternehmen zu verlassen.
Vom Chef bevorzugt: Angst vor Außenseiterrolle im Team
„Wenn Angestellte von ihrer Führungskraft im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen anders behandelt werden, führt das zu Angst vor sozialem Ausschluss und die Angestellten schämen sich“, sagt Benjamin Korman, der Autor der Studie. Scham tritt demnach bei bevorzugten wie benachteiligten Mitarbeitern gleichermaßen auf. „Angestellte, die von ihrem Chef oder ihrer Chefin schlecht behandelt werden, schämen sich, so unsere Theorie, da sie annehmen, dass sie das ‚schwächste Glied‘ im Team sind“, sagt Korman. Angestellte, denen dagegen die schlechte Behandlung erspart bleibe, schämten sich, denn: Sie gehen davon aus, dass ihre Kollegen ihnen unterstellen, mit dem schlechten Chef verbündet zu sein. Mögliche Folge – so unglaublich das klingen mag: „Ein Chef, der nur einzelne Angestellte vergleichsweise nett behandelt, aber andere schlecht, kann erstere so dazu bringen, das Unternehmen zu verlassen“, sagt Korman.
Alle gleich schlecht behandelt: Fluktuation auch gering
Weitere interessante Resultate der Studie: Wenig Fluktuation muss kein gutes Zeichen sein. Und: Ungleichbehandlung – für manche schlecht, für andere gut – kann für ein Unternehmen unterm Strich schädlicher sein als eine einheitlich schlechte Behandlung des Personals.
„Die Forschung legt nahe, dass in Teams, in denen alle Mitglieder von toxischer Führung betroffen sind, weniger Angestellte motiviert werden, ihr Team zu verlassen, als in Teams, in denen manche besser, manche schlechter behandelt werden“, sagt Studienautor Korman. Der Hintergrund: Teilen alle dasselbe Schicksal, fühlen sich die Teammitglieder nicht sozial ausgeschlossen und es tritt kaum Scham auf, was wiederum ihre Motivation, die Organisation zu verlassen, reduziert.
Unternehmen wird geraten, genau hinzuschauen, was in ihren Teams passiert, denn: Geringe Fluktuation deute nicht notwendigerweise auf gute Führung hin. Die Anzahl von Angestellten, die ein Team oder Unternehmen verlassen, ist der Studie zufolge „kein geeigneter Indikator um festzustellen, wie Führungskräfte mit Angestellten umgehen“. Beschäftigte, die aus Existenz- oder anderen Gründen nicht kündigen können oder wollen, wählen nach Negativerlebnissen – wie dem Gefühl, ungerecht behandelt zu werden – den Weg der sogenannten inneren Kündigung.
Arbeitsplatzzufriedenheit: Was Unternehmen tun können
Arbeitgebern wird in der Studie empfohlen, jährliche Befragungen der Angestellten zur Zufriedenheit in ihrem Arbeitsumfeld und mit ihren Arbeitsbedingungen durchzuführen. „Selbstverständlich sind jegliche Methoden toxischer Führung – ob nun alle oder nur einzelne Angestellte betroffen sind – absolut abzulehnen“, so Korman weiter, „Das muss allen Führungskräften im Unternehmen klar sein oder klargemacht werden.“ Führungsverhalten schlägt sich in der Regel immer auch in der Krankschreibungsquote nieder. Der „Fehlzeiten-Report 2020“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) beispielsweise zeigt: Wer seinen Chef als gerecht empfindet, ist seltener krankgeschrieben.
Toxische Führung: Was betroffene Arbeitnehmer tun können
Einzelne Mitarbeiter, die von toxischem Führungsverhalten betroffen sind, sollten das Thema beispielswiese in der Personalabteilung ansprechen oder auch direkt mit der Führungskraft besprechen. Denn oft, sagt Studienautor Korman, seien die sich „gar nicht bewusst sind, was ihr Verhalten bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewirkt“.