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Charité Ausgründung entwickelt Gentherapie gegen Epilepsie

Donnerstag, 23. Juni 2022 – Autor:
Fokale Epilepsien sind mit Medikamenten oft schwer zu behandeln. Hoffnung macht eine neue Gentherapie, die von einem Spin-Off der Charité entwickelt wird. Im Tierversuch war der Ansatz bereits erfolgreich. Klinische Studien sollen nun folgen.
Bei einem epileptischen Anfall entladen sich plötzlich ganze Nervenzellgruppen gleichzeitig

Bei einem epileptischen Anfall entladen sich plötzlich ganze Nervenzellgruppen gleichzeitig – Foto: © Adobe Stock/ Axel Kock

Wiederkehrende epileptische Anfälle sind extrem belastend. Um erneute „Blitzgewitter im Kopf“ zu verhindern, müssen die Patienten dauerhaft Medikamente einnehmen. Bei fokalen Epilepsien, bei denen der Anfallsursprung sich auf einen bestimmten Bereich des Gehirns konzentriert, versagen Medikamente jedoch häufig und haben starke Nebenwirkungen. Manche Patienten können sich auch einem chirurgischen Eingriff unterziehen. Aber auch die Epilepsiechirurgie garantiert keine dauerhafte Anfallsfreiheit.

„Vielen Betroffenen können wir leider nicht wirklich gut helfen“, sagt Prof. Regine Heilbronn, von der Klinik für Neurologie der Charité und Mitgründerin der EpiBlok GmbH, einer Ausgründung der Charité und der Medizinischen Universität Innsbruck. „Deshalb haben wir einen konzeptionell neuen Therapieansatz entwickelt.“

Fehlendes Neuropeptid wird ersetzt

Der neue Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass die Konzentration des Neuropeptids Dynorphin bei fokaler Epilepsie häufig zu niedrig ist. Der kleine Eiweißstoff sorgt dafür, dass sich Nervenzellgruppen nicht gleichzeitig unkontrolliert entladen können, wie es bei einem epileptischen Anfall der Fall ist. Bei der Gentherapie schleusen die Wissenschaftler das Dynorphin-Gen mithilfe eines Genvektors in die betroffenen Nervenzellen ein. Bei dem Vehikel für das Dynorphin-Gen handelt es sich um Adeno-assoziierte Virus-Vektoren (AAV), die für die Gentherapie einiger Krankheiten bereits klinisch zugelassen sind.

In Mäusen konnten die Forschenden zeigen, dass die Tiere nach der Behandlung das Dynorphin-Peptid produzieren und speichern. Nach einer einmaligen Anwendung seien die epileptischen Anfälle zuverlässig für mehrere Monate unterdrückt worden, berichten die Forscher.

„Drug on demand“-Therapie

„Es handelt sich in diesem Fall um eine „Drug on demand“-Therapie: Die Nervenzellen schütten das gespeicherte Peptid nur dann aus, wenn es gebraucht wird“, erklärt Prof. Christoph Schwarzer, Neuropharmakologe an der Universität Innsbruck, und Mitgründer von EpiBlok. „Das ist der Fall, wenn die Nervenzellen in dauernder Erregung sind, wie zu Beginn eines epileptischen Anfalls. Das Dynorphin hemmt dann die Erregung, das Gewitter flaut ab.“

Klinische Studie in Vorbereitung

Das Team um Regine Heilbronn und Christoph Schwarzer plant nun die erste klinische Studie. „Mit der EpiBlok Therapeutics GmbH wollen wir den AAV-Vektor in größeren Mengen und in der geforderten hohen Qualität herstellen, um eine erste klinische Studie auf den Weg zu bringen“, sagt Heilbronn.

Bei der Gründung der EpiBlok GmbH wurde das Team um Regine Heilbronn vom SPARK-BIH-Programm mit Fördermitteln, Coaching und Mentoring unterstützt. Für die präklinischen Studien an der AAV-basierten Gentherapie gegen fokale Epilepsie erhielt Regine Heilbronn bereits eine Förderung in Höhe von 3,3 Millionen Euro über das GO Bio Programm des Bundesforschungsministeriums. Nach Angaben der Charité ist EpiBlok ihre erste Ausgründung, die einen gentherapeutischen Behandlungsansatz verfolgt.

Hauptkategorien: Medizin , Berlin
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