Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Substanz in Europa. Über ein Viertel der EU-Bürger zwischen 15 und 64 Jahren haben bereits Erfahrung mit Cannabis gemacht, so die Autoren der vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Studie „Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse“ (CaPRis), die kürzlich veröffentlicht wurde. Die Meta-Analyse ergab zudem ein detailreiches Bild unterschiedlich ausgeprägter Risiken von akutem und chronischem Cannabis-Konsum. Auch der medizinische Nutzen wurde untersucht. Hier herrsche allerdings noch großer Forschungsbedarf, so die Studienautoren.
Für ihre Analyse sichteten die Forscher über 2100 wissenschaftliche Publikationen aus den vergangenen zehn Jahren. Darin waren über 27 Millionen Einzelveröffentlichungen enthalten. Die Wissenschaftler konnten vor allem die Risiken eines Konsums zu Rauschzwecken herausarbeiten. So sei ein früher Beginn (vor dem 15. Lebensjahr) sowie häufiger Konsum in der frühen Adoleszenz mit einem geringeren Bildungserfolg assoziiert, so die Forscher.
Dauerhafte kognitive Defizite nicht nachweisbar
Weitere Ergebnisse betrafen die Auswirkungen von regelmäßigem Kiffen auf die kognitiven Fähigkeiten. Sie zeigten, dass der akute Konsum zu vielfältigen kognitiven Beeinträchtigungen führen kann. Dabei wird – was nicht überraschend ist – die Gedächtnisleistung, die Aufmerksamkeit und die Psychomotorik beeinträchtigt. Ob ein chronischer Cannabis-Konsum zu dauerhaften Einschränkungen führt, konnten die untersuchten Studien hingegen nicht eindeutig zeigen. So konnte eine Minderung der Intelligenz in Folge regelmäßigen Cannabis-Konsums nicht belegt werden. Kognitive Funktionsdefizite durch chronischen Konsum schienen zudem vorübergehend zu sein.
Allerdings verursacht chronisches Kiffen einigen Studien zufolge offenbar hirnstrukturelle Veränderungen, insbesondere in der Amygdala und im Hippocampus, also in für die Gedächtnisbildung wichtigen Strukturen. Vor allem Veränderungen von Volumen, Form und Dichte der grauen Gehirnmasse konnten gezeigt werden. Des Weiteren ist das Risiko für Angststörungen und Depressionen durch regelmäßigen Konsum leicht erhöht, und auch das Risiko für psychotische Störungen nimmt zu.
Cannabis-Konsum verstärkt Risiko für respiratorische Symptome
Bei den organischen Folgen stach vor allem ein erhöhtes Risiko für respiratorische Symptome durch chronischen Cannabis-Konsum hervor. Akut bewirkt Cannabis-Konsum erweiterte Blutgefäße, Bluthochdruck und beschleunigten Puls. Eine Risikobewertung der kardiovaskulären Effekte im Zusammenhang mit chronischem Konsum konnte jedoch aufgrund mangelnder Evidenz nicht erfolgen. Auch für Krebserkrankungen des Kopf- und Halsbereichs konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Cannabis-Konsum und dem Erkrankungsrisiko gezeigt werden, allerdings durchaus für Hodenkrebs.
In der Schwangerschaft ist von Cannabis eindeutig abzuraten, da es die Entwicklung des Fötus stören kann. Zudem gibt es Hinweise für Störungen der Kindesentwicklung bei visuellen kognitiven Fähigkeiten und der Aufmerksamkeit. „In der öffentlichen Debatte werden die Folgen des Konsums zu Rauschzwecken von Cannabis häufig verharmlost“, kommentierte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler die Ergebnisse der Studie. Sie fordert daher: „Wir müssen auf jeden Fall intensiver über die Gefahren des Cannabiskonsums aufklären und die medizinische Versorgung cannabisabhängiger Menschen verbessern.“
Medizinischer Nutzen bei den meisten Indikationen unklar
Auch der Nutzen eines medizinischen Einsatzes von Cannabis-Produkten wurde in der Meta-Analyse untersucht. So zeigte sich ein Nutzen bei der Behandlung von chronischen Schmerzen; allerdings wiesen die Belege eher auf eine leichte Schmerzreduktion hin. Eine Spastik-Reduktion bei Multipler Sklerose wurde in erster Linie subjektiv von den Patienten empfunden, objektiv war sie nicht nachweisbar. Gleiches galt für die Primärsymptome von Morbus Crohn und beim Reizdarmsyndrom.
Bei HIV/Aids konnten vier von fünf Studien eine gewichtsstimulierende Wirkung feststellen. Außerdem wirkt Cannabis hier wie auch bei einer Chemotherapie nachweislich gegen Erbrechen und Übelkeit. Für die meisten Indikationen sei aufgrund der fehlenden Evidenzlage bisher jedoch keine Aussage zum Nutzen von Cannabis-Produkten möglich, so die Studienautoren. Allerdings würden zurzeit intensive Forschungsprojekte laufen, um diese Fragen zu klären.
Foto: © eight8 - Fotolia.com