Burnout erzeugt Arbeitstress – nicht umgekehrt

Der heraufziehende Burnout führt dazu, dass die Arbeit als viel stressiger empfunden wird
Stress und Überlastung am Arbeitsplatz nehmen zu und werden häufig als Ursache von Burnout betrachtet. Tatsächlich zeigt eine neue Studie, dass sich Stress bei der Arbeit und Burnout gegenseitig aufschaukeln. Entgegen der allgemeinen Auffassung wirkt sich Burnout jedoch viel stärker auf den Stress am Arbeitsplatz aus als umgekehrt.
"Je weiter sich Burnout entwickelt, umso mehr Stress, wie zum Beispiel Zeitdruck, nehmen die Menschen bei der Arbeit wahr", erklärt Prof. Christian Dormann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dieser Effekt ist viel stärker als der umgekehrte Effekt, den Arbeitsstress auf Burnout ausübt.
Erschöpfung, geminderte Leistungsfähigkeit
Als Symptome für Burnout gelten Erschöpfung, Zynismus sowie geminderte Leistungsfähigkeit. "Das wichtigste Burnout-Symptom ist tatsächlich das Gefühl, erschöpft zu sein und zwar in einem Ausmaß, das sich nicht durch die normalen Erholungsphasen am Abend, am Wochenende oder im Urlaub beheben lässt", sagt Dormann.
"Um sich vor weiterer Erschöpfung zu schützen, versuchen manche Betroffene, eine psychische Distanz zu ihrer Arbeit aufzubauen, das heißt sich von der Arbeit und damit verbundenen Personen zu entfremden und zynischer zu werden", ergänzt Dr. Christina Guthier.
Guthier hat die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit, für die sie 2020 den Dissertationspreis der Alfred Teves-Stiftung erhielt, in der Arbeitsgruppe von Dormann durchgeführt. Die Untersuchung wurde in der Fachzeitschrift Psychological Bulletin veröffentlicht.
Studien zu Burnout und Arbeitsstress
Christina Guthier hat für die gemeinsame Veröffentlichung mit Christian Dormann und Prof. Manuel Völkle von der Humboldt-Universität zu Berlin 48 Längsschnittstudien zu Burnout und Arbeitsstress ausgewertet. In diesen Studien waren insgesamt 26.319 Teilnehmer befragt worden.
Der Altersdurchschnitt betrug knapp 42 Jahre bei der Erstbefragung, 44 Prozent der Probanden waren Männer. Die Längsschnittstudien aus den Jahren 1986 bis 2019 stammten überwiegend aus europäischen Ländern, außerdem Israel, USA und Kanada, Mexiko, Südafrika, Australien, China und Taiwan.
Burnout erzeugt Arbeitstress – nicht umgekehrt
Die Ergebnisse stellen die übliche Sichtweise, dass Arbeitsstress die treibende Kraft bei Burnout ist, infrage oder relativieren sie zumindest. "Burnout kann, muss aber nicht von der Arbeitssituation angestoßen werden", so Dormann. Aber sobald der Prozess angeschoben wurde, schaukelt er sich allmählich hoch. Schließlich führt Burnout dazu, dass die Arbeit zunehmend als stressig empfunden wird: die Arbeitsmenge ist zu viel, die Zeit zu knapp. Burnout erzeugt Arbeitstress – nicht umgekehrt
"Bei Erschöpfung nimmt die Belastbarkeit für gewöhnlich ab. Dadurch können bereits kleinere Aufgaben als deutlich anstrengender wahrgenommen werden“, erklärt Guthier. Etwas abgemildert werden kann der Effekt, den Burnout auf den empfundenen Arbeitsstress hat, wenn die Beschäftigten mehr Kontrolle über ihre eigene Arbeit haben und Unterstützung von Kollegen oder Vorgesetzten erhalten.
Wie die Abwärtsspirale stoppen?
Laut Dormann eröffnet sich aufgrund dieser Datengrundlage ein neues Forschungsfeld, weil dieser starke Rückkopplungseffekt von Burnout auf den Arbeitsstress bisher noch nicht untersucht wurde. Die Fragen sind: Wie werden die Auswirkungen von Burnout auf den wahrgenommenen Arbeitsstress verringert? Wie wird der Teufelskreis unterbrochen?
Dormann und Guthier schlagen vor, Interventionen beim Führungsverhalten anzusetzen. Beschäftigte sollten die Möglichkeit haben, jederzeit Rückmeldung zu ihrem Arbeitsstress zu geben, und wertgeschätzt werden. Außerdem könnte - vielleicht nicht zuletzt - auch richtige Erholung helfen, die Abwärtsspirale zu stoppen.
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