Brustkrebs-Diagnose kann posttraumatische Belastungssymptome auslösen
Mit rund 70.000 Neuerkrankungen jährlich ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Die Diagnose bedeutet dabei fast immer einen Schock. Dass sie sogar zu posttraumatischen Belastungssymptomen führen kann, hat nun eine von der Deutschen Krebshilfe geförderte Studie gezeigt, für die mehr als 160 Brustkrebspatientinnen über einen Zeitraum von einem Jahr wissenschaftlich begleitet und mit 60 Frauen ohne eine Krebsdiagnose verglichen wurden.
Das Forscherteam um Dr. Kerstin Hermelink vom Brustzentrum der Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat für die Studie alle Teilnehmerinnen auf Symptome posttraumatischer Belastung untersucht. Dabei zeigten sich bei 82,5 Prozent aller Brustkrebs-Patientinnen vor Beginn der Behandlung posttraumatische Belastungssymptome wie ständige, unabweisbare Gedanken an die Erkrankung, das Gefühl emotionaler Taubheit, große Reizbarkeit mit Wutausbrüchen und übermäßige Schreckhaftigkeit.
Posttraumatische Symptome halten lange an
Zwar hatten nur zwei Prozent der Betroffenen nach einem Jahr eine voll ausgeprägte Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, aber mehr als die Hälfte (57,3 Prozent) litt noch immer unter posttraumatischen Symptomen. „Es ist bemerkenswert, dass die hohe seelische Belastung durch die Erkrankung über einen so langen Zeitraum bestehen bleibt“, so Hermelink. Wie schwer die Diagnose Krebs wiegt, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Auslösern von Traumata: Von den Patientinnen, die bereits vor ihrer Erkrankung ein anderes Trauma wie zum Beispiel einen schweren Unfall oder einen gewalttätigen Angriff erlebt hatten, hielten 40 Prozent die Diagnose Brustkrebs für die schlimmere Erfahrung.
Da nur Patientinnen ohne Metastasen, die damit berechtige Hoffnung auf eine Heilung haben konnten, und Frauen ohne psychischen Vorerkrankungen in die Studie einbezogen wurden, gehen die Forscher davon aus, dass die Verbreitung posttraumatischer Belastungssymptome bei Brustkrebspatientinnen sowie bei ansonsten gesunden Frauen sogar noch höher ist. Die Wissenschaftler suchten auch nach Gründen, warum nicht alle Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelten und warum die Belastung bei einigen länger anhielt. „Einen Einfluss der Art der Operation oder einer Behandlung mit Chemotherapie konnten wir nicht nachweisen. Dagegen zeigte sich deutlich ein günstiger Effekt von Bildung. Offenbar ist Bildung ein Marker für Ressourcen, die es erlauben, sich schneller von der psychischen Belastung durch eine Krebsdiagnose wieder zu erholen“, so Hermelink.
Psychotherapeutische Unterstützung bei Brustkrebs sinnvoll
Die Studienergebnisse sind auch vor dem Hintergrund interessant, dass das Klassifikationssystem DSM, das in der Psychiatrie als Leitfaden für Diagnosen verwendet wird, seit dem Jahr 2013 lebensbedrohliche Erkrankungen nicht mehr als potenzielle Auslöser für Traumata aufführt. „Vor dem Hintergrund unserer Studienergebnisse und meiner Erfahrungen aus der Arbeit mit Brustkrebspatientinnen als Psychoonkologin halte ich das für falsch“, so Hermelink. Schon frühere Studien konnten zeigen, dass Psychotherapien bei Brustkrebs-Patientinnen deren Lebensqualität stark verbessern können. Auch Hermelink betont die Bedeutung einer psychologischen Begleitung: „Ärzte sollten sich bewusst sein, dass nach einer Brustkrebs-Diagnose ein Großteil der Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelt und eine entsprechende Unterstützung benötigt.“
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