Nicht alle Mediziner waren glücklich, als gleich zwei Studien, die vor zwei Jahren im Fachmagazin Mayo Clinic Proceedings veröffentlicht worden waren, Hinweise darauf lieferten, dass Übergewichtige länger leben und seltener Herzinfarkte oder Schlaganfälle bekommen als Schlanke. Allerdings zeigte sich bei genauerem Hinsehen, dass nur diejenigen gesünder waren, die zwar Übergewicht hatten, aber nicht massige Fettschichten mit sich herumtrugen. Diese Studie bewies also das, was auch viele Ärzte sagen, nämlich dass fitte Dicke gesünder sind als schlappe Schlanke. Nun hat eine aktuelle Studie erneut gezeigt, dass Menschen mit einem (zu) hohen Body-Mass-Index (BMI) durchaus eine bessere Gesamtkonstitution aufweisen können als schlanke Menschen.
Auch wer übergewichtig ist, kann gesund sein
Dass der BMI bei der Bewertung der Gesundheit in die Irre führen kann, wird also schon länger vermutet. Für die aktuelle Studie analysierten die Forscher der University of California in Los Angeles die Daten von rund 40.000 US-Amerikanern aus dem National Health Nutrition Examination Survey und rechneten das Ergebnis auf die gesamte Bevölkerung hoch. Ihre Berechnung zeigte, dass bei rund 54 Millionen US-Amerikanern, die aufgrund ihres Gewichtes als ungesund eingeschätzt werden würden, keinerlei Krankheitssymptome wie Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte zu bemerken waren.
Nach Ansicht der Forscher ist dies besonders vor dem Hintergrund eines geplanten neuen Versicherungssystems in den USA interessant, denn dort sollen in Zukunft die Prämien nach dem Zustand der Gesundheit berechnet werden. Die Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift International Journal of Obesity veröffentlichten, kritisieren, dass viele Menschen als ungesund eingestuft werden, obwohl sie lediglich einen höheren BMI haben. „Viele Menschen sehen Adipositas als Todesurteil an“, erklärte A. Janet Tomiyama, Hauptautorin der Studie. „Die Daten zeigen jedoch, dass es Millionen Menschen gibt, die übergewichtig und adipös, aber bei bester Gesundheit sind.“ Die Gesundheitskosten anhand des BMI zu bemessen, sei daher ausgesprochen fragwürdig, denn der Studie zufolge ist ungefähr die Hälfte der Bevölkerung, die aufgrund ihres BMI als übergewichtig eingestuft wird, gesund.
Es kommt auf die Körperzusammensetzung an
Die Studien aus dem Jahr 2014 hatten die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und BMI noch etwas genauer untersucht. So konnte eine Analyse des Kardiologen Carl Lavie aus New Orleans anhand der Daten von fast 48.000 Patienten zeigen, dass Übergewichtige unter bestimmten Bedingungen sogar länger lebten und über lange Zeit eine bessere Herzfunktion aufwiesen als Schlanke. Allerdings galt dies nur für Personen, die einen kräftigen Körperbau und viel Muskelmasse aufwiesen und deren Gewicht nicht (nur) durch üppige Fettpolster zustande kam. Die aktuelle Studie konnte das so nicht zeigen. Die Forscher wollten allerdings auch nur beweisen, dass Übergewicht nicht zwingend Krankheit bedeutet und dass eine „Bestrafung“ durch das Gesundheitssystem daher unangebracht wäre.
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