
Wenn nach schwerer Covid-Erkrankung die Neutrophilen sinken, ist das ein gutes Zeichen – Foto: © Adobe Stock/ CMP
COVID-19 kann viele Organe betreffen und sehr unterschiedlich verlaufen. Doch der Krankheitsverlauf hängt maßgeblich von der Immunreaktion ab. Da sich diese Reaktion im Blut widerspiegelt, hat ein Team vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) nach Gemeinsamkeiten geschaut. Dazu untersuchten die DZNE-Wissenschaftler mehrfach das Blut von 139 Covid-19 Patienten, die intensivmedizinisch behandelt wurden mussten. Die Patienten waren zwischen 21 und 86 Jahre alt, die meisten waren männlich. 105 erholten sich so weit, dass sie von der Intensivstation schließlich entlassen wurden, 34 Patienten verstarben.
Zahl der Neutrophile sinkt während der Genesung
Die Analysen ergaben, dass die Genesung nach schwerem COVID-19 durch den allmählichen Rückgang bestimmter weißer Blutkörperchen geprägt wird: den Neutrophilen. Sie sind die häufigsten weißen Blutkörperchen und fungieren im Arsenal des Immunsystems als eine der ersten Verteidigungslinien gegen Krankheitserreger. „Wir haben festgestellt, dass Patienten mit schwerem COVID-19 eine hohe Anzahl reifer, das heißt voll entwickelter Neutrophiler im Blut aufweisen, deren Menge während des Genesungsprozesses zurückgeht“, sagt Erstautor Dr. Amit Frishberg.
Auch die Werte anderer weißer Blutkörperchen hätten sich im Laufe der Zeit verändert, wobei einige von ihnen sanken, während andere anstiegen. „Diese Veränderungen sind jedoch weniger ausgeprägt als bei den Neutrophilen“, sagt Frishberg.
Anstieg mit schlechter Prognose assoziiert
Aber auch den umgekehrten Fall konnten die Forscher beobachten: Ein Anstieg reifer Neutrophiler über einen längeren Zeitraum führt bei den Intensivpatienten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem tödlichen Ausgang. „Dies liegt möglicherweise daran, dass der stetige Zuwachs mit einer überschießenden und damit schädlichen Immunreaktion einhergeht, so Frishberg.
Die Forschenden entdeckten noch weitere Veränderungen im Zuge der Genesung, die molekulare Signalwege und Regulationsmechanismen des Immunsystems betreffen. „Das Bemerkenswerte an unseren Ergebnissen ist, dass die Genesung bei allen Patienten dem gleichen biologischen Muster folgte, trotz individueller Unterschiede im zeitlichen Verlauf der Erkrankung. Es gibt also sozusagen einen roten Faden. In unseren Daten haben wir keine Hinweise darauf gefunden, dass der Genesungsprozess nach einer schweren COVID-19-Erkrankung unterschiedlichen Bahnen folgen kann", betont Frishberg.
Biomarker zur Verlaufsprognose
Aufgrund der Ergebnisse schlagen die Autoren nun vor, die Zahl der Neutrophilen im Blut als Biomarker für die Prognose von schwerem Covid-19 zu nutzen.
Für ihre Analyse stützten sich die Wissenschaftler in erster Linie auf Transkriptome des Blutes. Diese Datensätze spiegeln die Genaktivität aller Blutzellen zu einem bestimmten Zeitpunkt wider. In der Regel werden dabei mehr als 10.000 verschiedene Gene erfasst. Bluttranskriptome liefern ein sehr detailliertes Bild des immunologischen Geschehens. Die Analyse dieser sehr komplexen Daten erfolgte mit rechnergestützten Verfahren.