Blutverdünner vor der OP wechseln birgt Risiken
In Deutschland nehmen etwa 700.000 Menschen dauerhaft Präparate ein, die die Blutgerinnung herabsetzen. Diese Antikoagulanzien sollen verhindern, dass sich in den Blutgefäßen Gerinnsel bilden und Schlaganfall, Lungenembolie oder andere Thromboembolien auslösen. Die Medikamente erhöhen jedoch das Blutungsrisiko. Vor Operationen müssen sie deshalb abgesetzt werden.
Vielfach erhalten die Patienten dann vorübergehend Heparin. Dessen Wirkung ist zeitlich begrenzt und für den Fall einer Blutung steht ein Gegenmittel zur Verfügung. Die amerikanische Bridge-Studie untersuchte nun Nutzen und Risiken des Verfahrens. Dabei erhielt die Hälfte der Teilnehmer statt Heparin ein Placebo. Ergebnis: Das Bridging konnte die Zahl der thromboembolischen Komplikationen nicht sicher senken, gleichzeitig stieg das Blutungsrisiko.
Blutverdünner vor der OP wechseln birgt Risiken
Die Ergebnisse der Studie seien nur bedingt auf Deutschland übertragbar, schreiben Dr. Bernd Krabbe und Prof. Rupert Bauersachs vom Klinikum Darmstadt. So werde in den USA mit Warfarin ein anderes Medikament eingesetzt, es hat aber den gleichen Wirkungsmechanismus wie Marcumar. Außerdem war die Dosierung des „Bridgings“ verglichen mit den Behandlungsstrategien in Deutschland relativ hoch und die Patienten hatten ein relativ geringes Risiko für eine Thromboembolie.
Dennoch muss das Behandlungskonzept nach Ansicht der beiden Experten überdacht werden. Sie verwiesen auf eine Analyse des US-amerikanischen Patientenregisters ORBIT-AF, wo das Bridging ebenfalls häufig mit Blutungskomplikationen verbunden war, ohne das Risiko für eine Thromboembolie zu vermindern.
Blutverdünner: Vor dem Eingriff individuelles Risiko prüfen
Krabbe und Bauersachs raten dazu, bei jedem einzelnen Patienten zu prüfen, wie hoch das Blutungs- und das Thromboserisiko ist. Bei kleineren zahnärztlichen Eingriffen, Augenoperationen oder der Implantation von Herzschrittmachern könnte die Antikoagulation mit Marcumar ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Bei großen Herzoperationen bleibe sie jedoch unverzichtbar, heißt es weiter in der DMW.
Neue Blutverdünner benötigen kein "Bridging"
Eine steigende Anzahl von Patienten wird inzwischen mit neuen Antikoagulanzien (NOAK) behandelt. Diese Mittel (Markennamen u.a. Pradaxa, Xarelto) wirken schnell, es gibt kaum Verzögerungen beim Wirkungseintritt und kein Nachwirken beim Absetzen. Die Leitlinien sehen für diese Medikamentengruppe im Allgemeinen kein „Bridging“ vor, berichten Krabbe und Bauersachs.
Bei kleineren Operationen könnten die Patienten die Tabletten unverändert einnehmen, bei größeren Eingriffen reiche in der Regel eine Therapiepause ohne Einsatz von Heparin. Nach Daten aus dem deutschen NOAK-Register kam es bei Patienten, bei denen die Ärzte ein „Bridging“ für notwendig erachtet hatten, fünffach häufiger zu schweren Blutungen, ohne dass das Risiko für eine Thromboembolie gesenkt werden konnte.
Foto: tunedin