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Blutgruppe beeinflusst Darmbakterien – und damit Krankheiten

Mittwoch, 20. Januar 2021 – Autor:
Neben Umwelt- und Ernährungseinflüssen ist offenbar auch die menschliche Genetik ein zentraler Faktor für die Besiedlung des Körpers mit Bakterien. Kieler Wissenschaftler konnten jetzt einen Zusammenhang nachweisen zwischen der genetischen Veranlagung für bestimmte Blutgruppen und der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Das kann bestimmte Krankheiten verhindern helfen oder begünstigen.
Kunterbunte mikroskopische Darstellung der Darmbakterien.

Mikroorganismen im Körper: Offenbar mehr als eine zufällige Zusammenstellung von in der Umwelt verfügbaren Mikroorganismen. Hier: Darmbakterien. – Foto: ©Alex - stock.adobe.com

Sie sind unsichtbar und begleiten uns Tag und Nacht: In und auf dem menschlichen Körper leben nach Schätzungen von Wissenschaftlern rund 40 Billionen Mikroben –  Bakterien und Pilze. Sie wohnen auf der Haut, den  Schleimhäuten sowie in den inneren Organen und machen etwa zwei Kilo unseres Körpergewichts aus. Die meisten von ihnen sind dabei nicht schädlich, sondern leisten einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden. Bakterien auf der Haut zum Beispiel bilden einen Schutzmantel, der uns hilft, Krankheitserreger abzuwehren. Die meisten der uns besiedelnden Bakterien tummeln sich allerdings im Darm („Darm-Mikrobiom“).

Chronische Darmerkrankungen: Eine Sache des Darm-Mikrobioms

Erst in jüngster Zeit haben Wissenschaftler damit begonnen zu ergründen, inwiefern die Mikroorganismen in und auf dem menschlichen Körper leben, zentrale Lebensprozesse und damit Gesundheit und Krankheit beeinflussen. Sie gehen heute davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Gesamtheit der mikrobiellen Besiedlung, dem menschlichen Mikrobiom, und der Entstehung von Krankheiten gibt. Speziell chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind wahrscheinlich eng mit der Zusammensetzung und Balance des Darmmikrobioms verknüpft. Doch wie das Mikrobiom und die Krankheitsentstehung ursächlich zusammenhängen und was die Zusammensetzung des Mikrobioms im Individuum bestimmt, ist noch weitgehend ungeklärt.

Genproben aus Kiel, Augsburg und Greifswald

Wissenschaftler der Universität Kiel sind hier jetzt einen Schritt weitergekommen. In einer großangelegten Genom-Untersuchung werteten sie Daten von rund 9000 Probandinnen und Probanden aus drei deutschen Städten (Kiel, Augsburg, Greifswald) aus. Das Forschungsteam vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) fand dabei heraus, dass ein Zusammenhang besteht zwischen den Genen, die die Blutgruppe bestimmen, und dem Vorkommen und der Häufigkeit bestimmter Bakterienarten im Darm.

Blutgruppe 0 offenbar im Vorteil

Das Ergebnis lässt sich – vereinfacht gesagt – so ausdrücken: Bei Menschen mit den Blutgruppen A, B, und AB bilden sich bestimmte Mikroorganismen im Darm, bei Menschen mit der Blutgruppe 0 dagegen nicht. „Dieser Zusammenhang hat potenziell eine große gesundheitliche Bedeutung“, so das Fazit der Kieler Wissenschaftler. „Frühere Studien konnten zeigen, dass Menschen ohne diesen Sekretionsweg zum Beispiel besser vor Norovirus-Infektionen geschützt sind“, sagt der Erstautor der Studie, Malte Rühlemann. Rund 20 Prozent der Weltbevölkerung gehören zu dieser Gruppe.

Bakterien-Besiedelung des Körpers „kein Zufall“

Die Kieler Wissenschaftler kommen im Grundsatz zu dem Schluss: „Neben Umwelt- und Ernährungseinflüssen ist offenbar auch die Genetik des menschlichen Körpers ein zentraler Faktor, der die bakterielle Besiedlung des Körpers beeinflusst. Damit wäre das Mikrobiom mehr als eine zufällige Zusammenstellung von in der Umwelt verfügbaren Mikroorganismen.“ Das Beispiel verdeutliche, welche Effekte die individuelle genetische Variation auf den menschlichen Stoffwechsel habe und wie sie damit die Zusammensetzung des Mikrobioms mitbestimmen könne.

Ziel: Krankheiten bekämpfen durch Eingriff ins Mikrobiom

Auf die aktuelle Studie aufbauend sind die Kieler Wissenschaftler nach eigenen Angaben dabei, konkrete Behandlungsoptionen für die Medizin zu erarbeiten. Ziel sei es, „wertvolle Hinweise dafür zu liefern, an welchen Stellen sie am besten in das Mikrobiom eingreifen kann, um künftig auf einer gestörten Bakterienbesiedlung beruhende Krankheiten gezielt zu behandeln“, betont Professor Andre Franke, Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB) in Kiel. „Die Identifizierung solcher Therapieziele ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer künftigen Behandlung beispielsweise von chronischen Darmentzündungen durch gezielte Veränderungen der Zusammensetzung des Mikrobioms.“

Foto: AdobeStock/fotoliaxrender

Hauptkategorie: Medizin
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