Bluter können auf Gentherapie hoffen

Gentherapie bei Hämophilie: Experten rechnen mit baldiger Einführung der neuen Behandlungsoption
Die Hämophilie ist eine Erbkrankheit, bei der in der Leber nicht ausreichend Gerinnungsfaktoren VIII oder IX gebildet werden. Folglich gerinnt das Blut nicht mehr und es kann zu schweren inneren Blutungen kommen. Früher starben viele Bluter schon im Kindesalter. Heute haben selbst Patienten mit einer schweren Hämophilie eine normale Lebenserwartung. Die Behandlung besteht aus regelmäßigen Infusionen, die den fehlenden Gerinnungsfaktor ersetzen. Im Falle einer Verletzung können zusätzliche Faktorgaben die Blutungen stoppen.
Die Medikamente können allerdings nicht immer eine innere Blutung verhindern, was auf Dauer insbesondere die großen Gelenke schädigen kann. Auch die Infusionen, die mehrmals in der Woche notwendig sind, können die Lebensqualität der Patienten sehr beeinträchtigen.
Gentherapie ersetzt regelmäßige Infusionen
Nun könnte eine Gentherapie das Leben von Blutern noch einmal deutlich verbessern. Inzwischen haben mehrere Firmen in den USA und in Europa Gentherapien entwickelt, die über mehrere Jahre und vielleicht sogar lebenslang die Produktion von Gerinnungsfaktoren in einer Menge ermöglichen. Dadurch können spontane Blutungen in Gelenken oder Organen verhindert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) rechnet damit, dass diese neue Behandlungsoption bereits in einigen Monaten verfügbar sein wird.
Für die Hämophilie B lägen mittlerweile mit verschiedenen Gentherapien Erfahrungen zu über 50 Patienten vor, bei denen Faktor VIII-Konzentrationen von bis zu 45 Prozent der Normalwerte von Gesunden erreicht worden seien, berichtet der Hämostaseologe und Transfusionsmediziner Professor Hermann Eichler vom Universitätsklinikum des Saarlandes. „Bei einigen Patienten produzierten die Leberzellen den Gerinnungsfaktor noch acht Jahre nach der Gentherapie“, so der Experte.
Zur Hämophilie A laufen ebenfalls bereits klinische Studien, die in den nächsten Jahren zur Zulassung der Gentherapie führen könnten. Ein erster Zulassungsantrag wurde bereits bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA (U. S. Food and Drug Administration) eingereicht.
Gen wird in Leber eingeschleust
Eine Gentherapie versetzt den Körper in die Lage, selbst den Gerinnungsfaktor zu produzieren. Dabei wird eine intakte Kopie des defekten Gens mit Hilfe einer sogenannten Genfähre in die Leber transportiert, wo die Gerinnungsfaktoren VIII oder IX hergestellt werden. Die Genfähren werden zwar aus Adeno-assoziierten Viren (AVV) entwickelt, sind aber für den Menschen ungefährlich, da die Viren gentechnisch so verändert werden, dass sie sich nicht vermehren können.
„Die Sorge, dass die Gentherapie die Leber schädigen könnte, hat sich bislang nicht bestätigt“, betont Eichler. Es komme zwar bei einigen Patienten anfangs zu einem zumeist nur vorübergehenden und leichten Anstieg der Leberenzyme, was auf eine geringgradige Zellschädigung hinweist. Bei den meisten Patienten würde sich die Leber jedoch vollständig erholen, sodass die Sicherheitsbedenken weitgehend ausgeräumt werden konnten.
6.000 Menschen in Deutschland könnten profitieren
Eichler rechnet bereits im nächsten Jahr mit einer Zulassung der ersten Gentherapie für Hämophilie. Das könnte, so der Experte, für die Betroffenen einen enormen Gewinn an Lebensqualität bedeuten, wenn sie nicht mehr auf die regelmäßigen Infusionen angewiesen und ihre Gelenke nicht mehr von Blutungen bedroht wären.
Chinesische Forscher hatten bereits 1996 eine Gentherapie an zwei Menschen mit Hämophilie B vorgenommen. Die Leberzellen produzierten jedoch nur für kurze Zeit Gerinnungsfaktoren. Die heutigen Gentherapien könnten Bluter im Idealfall ein Leben lang vor inneren Blutungen schützen. In Deutschland sind etwa 6.000 Menschen von einer schweren Hämophilie A oder B betroffen, die potenziell für die neue Gentherapien in Frage kommen.
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