
Eine Senkung des Blutdrucks kann auch vor Demenzerkrankungen schützen – Foto: ©Andrey Popov - stock.adobe.com
Menschen mit chronischem Bluthochdruck erkranken häufiger an Demenz – das ist seit einiger Zeit bekannt. Doch lässt sich ein erhöhtes Demenzrisiko umgekehrt auch durch eine medikamentöse Blutdrucktherapie senken? Dieser Frage gingen Forscher in einer Metaanalyse nach, die jetzt in „Lancet Neurology“ veröffentlicht wurde.
Wie sich zeigte, kann die erfolgreiche medikamentöse Einstellung eines Bluthochdrucks das Demenzrisiko um 12 und das Alzheimerrisiko um 16 Prozent senken. Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) sehen hier angesichts der weiter steigender Zahlen bei demenziellen Erkrankungen sowie bislang fehlender Therapieoptionen ein großes Potenzial für die Prävention.
Senkung des Blutdrucks schützt vor Demenz
Für ihre Analyse werteten die Forscher sechs prospektive Beobachtungsstudien mit insgesamt über 31.000 Teilnehmern aus. Die Probanden hatten zu Beginn der Studie keine Demenzerkrankung und waren über 55 Jahren alt. Die Forscher stratifizierten die Teilnehmer nun in zwei Gruppen: Eine Gruppe umfasste Personen, die zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses normale Blutdruckwerte (< 140/< 90 mm Hg) aufwiesen, die andere jene mit erhöhten Blutdruckwerten. Der Anteil der Studienteilnehmer, die eine medikamentöse blutdrucksenkende Therapie erhielten, variierte in den sechs Studien, welche in die Analyse eingegangen waren, und lag zwischen 32,5 und 62,1 Prozent.
Insgesamt erkrankten während des Beobachtungszeitraum 3.728 Studienteilnehmer neu an einer Demenz, bei 1.741 Patienten handelte es sich um eine Alzheimer-Demenz. Verglich man die Patienten mit Bluthochdruck, die medikamentöse Blutdrucksenker einnahmen, mit jenen, die unbehandelt blieben, zeigte sich, dass die medikamentöse Bluthochdrucktherapie vor Demenz schützen kann: Das Risiko für eine Demenz war um 12 Prozent niedriger, wenn die Patienten gegen ihren Bluthochdruck behandelt wurden.
Das Risiko für Alzheimer konnte sogar um 16 Prozent gesenkt werden. Die Metaanalyse zeigt damit nach Auffassung der Studienautoren einen deutlich positiven und klinisch relevanten Einfluss der medikamentösen Bluthochdruckkontrolle auf das Risiko für Demenzerkrankungen.
Bluthochdruck wird zu selten behandelt
Auch Prof. Richard Dodel, DGN-Experte für dementielle Erkrankungen, sieht hier ein großes Potenzial für die Prävention: „Bluthochdruck ist ein immenses Gesundheitsproblem in unserer Bevölkerung. Im Alter von über 60 ist fast jeder Zweite davon betroffen und viele Patienten sind unbehandelt oder unzureichend eingestellt. Wir wissen nun, dass diese Menschen durch die medikamentöse Blutdrucksenkung nicht nur ihr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verringern können, sondern auch das Risiko, später an Demenz zu erkranken. Dieses Präventionspotenzial sollte unbedingt ausgeschöpft werden, letztlich auch, weil wir bis heute keine krankheitsmodifizierende Therapie gegen Demenz haben und die Zahl der Erkrankten weiter steigt.“
Substanzklasse ohne Bedeutung
Mit welcher Substanzklasse die Patienten behandelt worden waren, war dabei nicht entscheidend: Keine der fünf verschiedenen Substanzklassen erwies sich hinsichtlich der Risikoreduktion gegenüber den anderen als überlegen. „Es ist also nicht so, dass eine bestimmte Klasse von Blutdrucksenkern einen ‚Anti-Demenz-Effekt‘ hätte, sondern, dass eine erfolgreiche Blutdrucksenkung in den Zielwertbereich unter 140/90 mm Hg zur Reduktion des Demenzrisikos führt“, so Dodel. Dementsprechend zeigte sich auch bei den Studienteilnehmern mit normalen Blutdruckwerten, die – aus welchen Gründen auch immer – Blutdrucksenker eingenommen hatten, im Hinblick auf die Demenzrate kein Effekt.
„Wir Neurologen können gar nicht oft genug daran appellieren, dass Menschen mit Bluthochdruck konsequent behandelt werden und die Blutdrucksenker wie verschrieben regelmäßig einnehmen“, kommentiert Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN, die Ergebnisse. „Damit schützen sie sich gleich vor zwei neurologischen Volkskrankheiten: Schlaganfall und Demenz.“
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