Blasenentzündungen: Antibiotika oft nicht nötig

Statt Antibiotika können bei Blasenentzündungen auch pflanzliche Mittel eingesetzt werden
Lange Zeit haben Leitlinien bei der Diagnose „Blasenentzündung“ (Zystitis) eine sofortige Gabe eines Antibiotikums empfohlen – vor allem, um ein Aufsteigen der Bakterien und damit eine gefährliche Besiedelung der Nierenbecken zu verhindern. Doch mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden. Die aktuelle Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen erklärt, dass bei einer akuten, unkomplizierten Blasenentzündung bei Frauen eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative erwogen werden kann. Auch die DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) empfiehlt, bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (HWI) zunächst rein symptomatisch zu behandeln, also viel zu trinken und gegebenenfalls Ibuprofen gegen die Schmerzen zu nehmen.
Bei den meisten Blasenentzündungen ist kein Antibiotikum nötig
Mehrere Studien haben bereits belegt, dass die meisten Blasenentzündungen auch ohne Antibiotikum ausheilen. Das erspart den Patienten die Nebenwirkungen und reduziert das Risiko für Antibiotikaresistenzen. So konnten Forscher der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) im Jahr 2016 zeigen, dass rund zwei Drittel der Frauen mit einer unkomplizierten Blasenentzündung ohne Antibiotika und nur mit Schmerzmitteln wieder gesund wurden. Die Studie wurde im „British Medical Journal“ veröffentlicht.
Auch die neue S3-Leitlinie zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen wurde nun entsprechend geändert: Bevor die Gabe von Antibiotika erfolgt, können demnach zum Beispiel Präparate aus Bärentraubenblättern, Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel erwogen werden. Erstere sollten allerdings nicht häufiger als einmal im Monat angewendet werden. Zu den oft empfohlenen Cranberry-Extrakten als Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen liegen zwei widersprüchliche Cochrane-Analysen vor.
Pflanzliche Wirkstoffe können bei HWI hilfreich sein
Pflanzliche Arzneimittel zur Behandlung von HWI wie Blasenentzündungen machen sich unterschiedliche Wirkmechanismen zunutze. So gibt es Arzneimittel, welche die Harnwege durchspülen, und andere, welche vor allem desinfizierend wirken. Wieder andere sollen die bakteriellen Virulenzfaktoren blockieren. Professor Karin Kraft von der Universität Rostock empfiehlt bei rezidivierenden Infektionen prämenopausaler Frauen unter anderem ein Kombinationspräparat aus Meerrettichwurzelextrakt und Kapuzinerkresse.
Durch die darin enthaltenen Senföle werden im Körper Substanzen mit hoher antibakterieller Wirkung freigesetzt. Zudem wirken sie auch antiviral und antimykotisch. In einer randomisierten, verblindeten Studie über drei Monate führte das Kombinationspräparat zu besseren Ergebnissen als in der Kontrollgruppe. Allerdings können sowohl Meerrettich als auch Kapuzinerkresse, genauso wie Bärentraubenblätter, zu Magenreizungen führen.
Auch andere pflanzliche Wirkstoffe kommen Kraft zufolge bei der Behandlung einer Blasenentzündung in Frage. So wirkt das echte Goldrutenkraut antientzündlich und unterstützt die renale Ausscheidung, wenn man viel trinkt. Ähnlich wirken Ackerschachtelhalm sowie Brennnessel- und Birkenblätter. Allerdings können letztere Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder allergische Reaktionen mit sich bringen, wie die Expertin im Interview mit der Zeitschrift CME warnte.
Bei starken Beschwerden sollten Antibiotika gegeben werden
Harnwegsinfektionen (HWI) kommen sehr oft vor. Die häufigste Harnwegsinfektion ist die Blasenentzündung. Jedes Jahr erkranken zehn Prozent aller Frauen an einer HWI. Häufig sind sie rezidivierend, so dass 20 bis 30 Prozent der betroffenen Frauen innerhalb von sechs Monaten eine zweite Infektion erleiden, manche sogar noch öfter. Männer sind in jungen Jahren sehr viel seltener betroffen; im höheren Alter aber erkranken sie fast genauso häufig an Harnwegsinfektionen wie Frauen.
Obwohl der Trend zur symptomatischen Behandlung oder zum Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln geht, bevor zum Antibiotikum gegriffen wird, warnen Experten, Patientinnen mit starken Beschwerden rein alternativ zu behandeln. Spätestens wenn Fieber, eine CRP-Erhöhung, Leukozytose oder eine Nierenbeckenentzündung auftritt, muss ein Antibiotikum gegeben werden. Auch sollten Betroffene nicht zu lange damit warten, zum Arzt zu gehen. Wenn die Symptome drei Tage anhalten, so der Rat von Experten, sollte ein Arzt aufgesucht werden, bei Schwangeren bereits am ersten Tag.
Foto: © Heike Rau - Fotolia.com