Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Binge Eating immer öfter als Krankheit anerkannt

Sonntag, 19. Februar 2017 – Autor: Anne Volkmann
Binge Eating ist sehr verbreitet, dennoch kennen viele Menschen diese Essstörung nicht. Nach und nach wird die Störung, bei der Menschen in kurzer Zeit extrem große Mengen an Essen zu sich nehmen, jedoch als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.
Binge Eating - eine versteckte Störung

Menchen, die unter Binge Eating leiden, sprechen meist nicht darüber – Foto: matiasdelcarmine - Fotolia

Sie ist vermutlich die häufigste aller Essstörungen und doch die am wenigsten bekannte: Binge Eating. Menschen, die davon betroffen sind, verschlingen immer wieder riesige Mengen an Essen, übergeben sich danach aber nicht wie diejenigen, die unter Bulimie leiden. Bei den Essanfällen haben die Betroffenen den Eindruck, jede Kontrolle über sich zu verlieren; zudem verspüren sie kein Sättigungsgefühl oder essen darüber hinaus. So können „Binge Eater“ innerhalb kürzester Zeit über 5.000 Kilokalorien zu sich nehmen.

Lange Zeit war Binge Eating in den internationalen Klassifikationssystemen für psychische Erkrankungen nicht als eigenes Störungsbild aufgeführt. Vielen Menschen – Ärzten wie Betroffenen – ist daher gar nicht bewusst, dass es sich um eine Krankheit handelt. Seit 2013 wird die Binge-Eating-Störung jedoch im DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) als eigenes Krankheitsbild geführt und ab 2018 soll sie auch im ICD (Internationale Klassifikation der Krankheiten) erscheinen.  

„Binge Eater“ unterscheiden sich von anderen Übergewichtigen

Personen mit Binge-Eating-Störung leiden meist nicht nur unter ihrem Essverhalten, sondern zusätzlich noch unter verschiedenen Komorbiditäten. Da sie durch das regelmäßige Überessen häufig (wenn auch nicht immer) Übergewicht haben, entwickeln sie in der Folge oft Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und orthopädische Probleme. Zudem leiden viele Betroffene unter weiteren psychischen Problemen wie Depressionen, Ängsten oder Substanzmissbrauch.

Ein großes Problem ist, dass die Ärzte der Betroffenen meist nur das Übergewicht sehen und ihren Patienten raten, einfach abzunehmen. Doch das funktioniert bei Menschen, die unter Binge Eating leiden, normalerweise nicht. Und da sich die Betroffenen selbst für ihre Essstörung schämen, sprechen sie nicht darüber. Wird die Störung jedoch nicht erkannt, kann sie auch nicht behandelt werden. Ein erster Schritt zur Diagnose wäre schon getan, wenn Ärzte bei übergewichtigen Patienten danach fragen, ob sie öfter sehr große Nahrungsmengen auf einmal zu sich nehmen.

Wie es genau zu der Neigung zu exzessivem Essen kommt, ist bisher nicht bekannt. Vermutet wird, dass verschiedene Faktoren zusammenspielen. Meist haben die Betroffenen Probleme beim Umgang mit ihren Gefühlen – und zwar mit positiven wie mit negativen. Die Essanfälle dienen dann oft als Entspannung. Auslöser können zum Beispiel Stress, Ärger, Traurigkeit, Langeweile, aber auch einfach Aufregung sein. Es gibt jedoch auch Hinweise für eine gewisse genetische Prädisposition sowie für Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns, die zur Erkrankung beitragen können. Zudem können auch Diäten Heißhungeranfälle auslösen und die Betroffenen in einen Teufelskreis bringen.

Binge-Eating-Störung erkennen

Woran erkennt man nun, ob jemand an einer Binge-Eating-Störung leidet? Denn natürlich ist nicht jeder, der ab und zu mehr ist, als ihm guttut, an einer Essstörung erkrankt. Es gibt jedoch mehrere Verhaltensweisen, die auf eine Störung hindeuten können:

Betroffene

  • essen während der Anfälle viel schneller als gewöhnlich
  • essen große Mengen, obwohl sie gar keinen Hunger haben
  • essen, um kurzfristig Spannungen abzubauen
  • essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
  • erleben ein Gefühl des Kontrollverlusts, d.h. sie können nicht mit dem Essen aufhören, obwohl sie es wollen
  • essen oft alleine, weil sie sich für die großen Mengen schämen
  • erleben nach den Essanfällen meist ein Gefühl von Ekel, Deprimiertheit und Schuldgefühlen.

Um von einer Essstörung zu sprechen, müssen die Anfälle laut DSM-V mindestens an zwei Tagen in der Woche über einen Zeitraum von wenigstens sechs Monaten auftreten. Meist ist das Essverhalten der Betroffenen aber auch zwischen den Essanfällen gestört: Sie ernähren sich oft unregelmäßig und wechseln oft zwischen stark kontrolliertem und völlig unkontrolliertem Essen. Wichtig ist es zu erkennen, dass es sich bei der Erkrankung nicht nur um ein Problem mit dem Essen, sondern vielmehr um eine tiefersitzende psychische Störung handelt, die als solche behandelt werden muss.

Foto: © matiasdelcarmine - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Psychische Krankheiten , Essstörungen , Magersucht

Weitere Nachrichten zum Thema Essstörungen

Ein Internet-basiertes, angeleitetes Selbsthilfeprogramm kann Menschen mit Binge-Eating-Störung helfen. Das haben Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität Leipzig herausgefunden. Für Betroffene ergibt sich daraus ein niedrigschwelliges und wirksames Angebot.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin