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„Berliner“ T-Zelltherapie gegen Krebs geht in klinische Prüfung

Dienstag, 23. März 2021 – Autor:
Eine in Berlin entwickelte T-Zelltherapie gegen Krebs wird jetzt am Multiplen Myelom erprobt. Die klinische Phase-I-Studie mit zwölf Patienten hat bereits begonnen. Ergebnisse werden in zwei Jahren erwartet.
T-Zellen per Infusion: Charité startet Studie mit zwölf Myelom-Patienten

T-Zellen per Infusion: Charité startet Studie mit zwölf Myelom-Patienten – Foto: © Adobe Stock/Piman Khrutmuang

20 Jahre hat ein Team um Prof. Thomas Blankenstein vom Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) an einer neuartigen Gentherapie gegen Krebs gearbeitet. Nun geben MDC und Charité den Start der klinischen Phase-I-Studie bekannt. Insgesamt zwölf Patienten mit Multiplem Myelom (Knochenmarkkrebs) sollen in die Studie eingeschlossen werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Kooperationsprojekt von MDC, Charité und ihrer Ausgründung T-knife mit vier Millionen Euro.

T-Zellen werden gentechnisch verändert

Bei der Therapie werden T-Zellen der Patienten im Labor gentechnisch so verändert, dass ihre Rezeptoren den Krebs erkennen und bekämpfen können. Anschließend erhalten die Patienten ihre T-Zellen per Infusion zurück. Nach Auskunft von Professor Antonio Pezzutto wurde die erste Patientin bereits auf diese Art und Weise behandelt. Die Behandlung sei stationär im Anschluss an eine Chemotherapie erfolgt. „Der Angriff auf die Krebszellen ist dann besonders effektiv“, so der Onkologe, der die Studie am Campus Benjamin Franklin der Charité leitet.

Erst mal geht es um die Sicherheit

In der Studie gehe es allerdings weniger um die Wirksamkeit, als vielmehr um die Sicherheit der Immun- und Gentherapie für Patienten, betont der Onkologe. „Zwar glauben wir, Hinweise auf die Wirksamkeit des Therapieprinzips zu bekommen und hoffen auch, dass die Patientinnen und Patienten davon profitieren. Aber erst in der nächsten klinischen Phase kann gezielt die Wirksamkeit der Therapie an einer größeren Zahl von Betroffenen untersucht werden.“

T-Zellen sind Immunzellen, die etwa auch zur Virusabwehr dienen. Mit Hilfe ihrer Rezeptoren können sie sogenannte Antigene erkennen, die auf den Oberflächen infizierter Zellen sitzen und die Zelle dann zerstören. Auch bei Krebszellen sitzen spezielle Antigene auf der Oberfläche. Allerdings erkennt das Immunsystem erkennt diese oft nicht als fremd und bekämpft die Zelle von daher nicht.

Rezeptoren erkennen Antigene auf der Zelloberfläche

Hier setzt die Berliner T-Zell-Therapie an. Durch eine gentechnische Veränderung werden die T-Zellen der Patienten scharf gegen die Antigene gemacht, die sich auf den Krebszellen befinden. In diesem Fall auf das Antigen MAGE-A1, das ein typisches Erkennungsmerkmal auf der Oberfläche von Krebszellen des Multiplen Myeloms ist. Die Wissenschaftler haben dafür nach eigener Auskunft einen spezifischen T-Zell-Rezeptor hergestellt, der es schafft, das Antigen und somit die Krebszelle als entartet und gefährlich einzustufen.

Man wolle den T-Zellen der Studienteilnehmenden nun beibringen, Krebszellen als Eindringlinge zu identifiziere, erklärt Thomas Blankenstein. „Unsere präklinischen Versuche deuten darauf hin, dass dies geschehen sollte, ohne dabei gesundes Gewebe der Patientinnen und Patienten zu schädigen.“

Das Prinzip der T-Zelltherapie ist auch auf andere Krebserkrankungen anwendbar. Ursprünglich sollte die Therapie an Eierstockkrebs erprobt werden, davon sind die Forscher jedoch vorerst abgerückt. Neben MAGE-A1 hat das Team weitere vielversprechende Antigene entdeckt, für die nun passende Rezeptoren entwickelt werden sollen. Die aktuelle Studie soll eine Art Proof-of-Concept sein.

„Wir schauen mit Spannung auf die Studienergebnisse und hoffen, dass wir mit dieser Gentherapie eine neue und vielversprechende Möglichkeit gewinnen, Krebserkrankungen künftig besser zu bekämpfen“, sagt Blankenstein.

Klinische Forschung wird noch Jahre dauern

Wenn in der jetzt begonnenen Phase-I-Studie keine bedenklichen Nebenwirkungen auftreten und erste Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit beobachtet werden, schließt sich eine Phase-II-Studie an. Dabei werden Verträglichkeit und Nebenwirkungen bei einer etwas größeren Anzahl von Patienten ermittelt und die Dosierung in Hinblick auf eine mögliche Wirksamkeit optimiert. Erst danach kann mit einer Phase-III-Studie begonnen werden, die für eine Zulassung notwendig ist. Insgesamt wird es also noch Jahre dauern, bis die Wirksamkeit der neuen T-Zelltherapie bewiesen ist. Allein die ersteklinische Studienphase beträgt zwei Jahre.

Hauptkategorien: Berlin , Medizin
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