Berliner HIV-Gentherapie macht Hoffnung auf funktionelle Heilung

HIV-Gentherapie aus Berlin: Die funktionelle Heilung von HIV rückt näher
Das Tückische an einer HIV-Infektion ist, dass sich die Aidsviren in Immunzellen festsetzen und dort ihre genetischen Informationen einpflanzen. Die körpereigene Abwehr, die normalerweise Viren bekämpft, wird somit Schach Matt gesetzt. Besonders tückisch: Je mehr Immunzellen gegen die Eindringlinge tätig werden, desto rasanter die Ausbreitung von HIV. Wissenschaftler des Berlin Brandenburg Centrum für Regenerative Therapien (BCRT) an der Charité wollen diesen Teufelskreislauf nun durchbrechen: Gemeinsam mit Kollegen von der Davis Universität in Kalifornien ist es ihnen gelungen, Blutstammzellen genetisch so zu verändern, dass sie resistent gegen die HIV-Attacke werden. In Experimenten erwies sich die neue HIV-Gentherapie als so erfolgreich, dass nun die Vorbereitungen für klinische Studien auf Hochtouren laufen. „Unsere Vorarbeiten haben beeindruckende klinische Ergebnisse gezeigt“, sagt Prof. Petra Reinke vom BCRT. „Insofern gehe ich davon aus, dass wir noch dieses Jahr mit der Behandlung einer kleinen Patientengruppe beginnen können.“
HIV-Gentherapie: „Berliner Patient“ hat die Steilvorlage geliefert
Ausschlaggebend für die Entwicklung der HIV-Gentherapie war die Heilung des „Berliner Patienten“. Der in Berlin lebende Amerikaner hatte 2008 an der Charité eine Knochenmarktransplantation erhalten, weil er neben seiner HIV-Infektion auch an Blutkrebs litt. Charité-Ärzten gelang es damals, einen Knochenmarkspender mit einem seltenen HIV-Resistenz-Gen zu finden. Durch die anschließende Knochenmarktransplantation wurde der „Berliner Patient“ als bislang einziger Mensch von HIV geheilt.
Weil eine Transplantation von allogenen – also fremdem Knochenmarkzellen - jedoch mit enormen Risiken verbunden ist, kommt sie grundsätzlich nicht als Therapieoption für HIV-Patienten in Frage. Die Wissenschaftler vom BCRT haben deshalb einen anderen Ansatz verfolgt, von dem sie sich ähnliche Effekte versprechen. Bei ihrer Therapie verwenden sie patienteneigene Blutstammzellen, bestücken diese mit drei HIV-Resistenz-Genen und geben die so genetisch veränderten Stammzellen dem Patienten anschließend wieder zurück.
Forscher wollen tückischen Mechanismus der Aidsviren durchbrechen
Der Plan ist, dass die resistenten Gene anschließend die Oberhand gewinnen und das Virus dauerhaft in Schach halten. Denn einerseits sind weniger „Helfer“ selbst infiziert, auf der anderen Seite stehen mehr zur Abwehr bereit. Damit hoffen die Wissenschaftler, den tückischen Mechanismus der Aidsviren durchbrechen zu können. „Der entscheidende Punkt ist, dass nicht nur Stammzellen unsere Zielpopulation sind, sondern jene CD-4 Helferzellen, die sich aus den Stammzellen generieren“, erläutert Petra Reinke den Ansatz. Die Immunologin, die auch als Oberärztin an der Charité tätig ist, geht davon aus, dass sich die Viruslast bei den Patienten nach gut einem Jahr so reduzieren könnte, dass keine Zirkulation von HIV mehr nachweisbar wäre. Laut Reinke wäre das dann die seit langem erhoffte „funktionelle Heilung.“
Erste Patienten mit der neuen Gentherapie behandelt
Bis die neue Therapie an Patienten erprobt werden kann, braucht es neben vielen anderen Formalitäten noch die Herstellungserlaubnis vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die BCRT-Wissenschaftler sind aber zuversichtlich, dass die Behörden bald grünes Licht geben werden, zumal das neue Verfahren an der Partneruniversität in Kalifornien bereits bei Patienten zum Einsatz kam. Reinke zufolge werden erst einmal die Patienten ausgewählt, die schwere Resistenzen gegen die gängigen HIV-Medikamente entwickelt haben. Alles andere werde sich später zeigen.
Im Unterschied zu der in Philadelphia entwickelten HIV-Gentherapie soll die deutsch-amerikanische Co-Produktion gezielter auf die Eigenschaften des HI-Virus wirken, also weniger andere wichtige Funktionen der Immunzellen blockieren. Welche Therapie am Ende dauerhaft wirksamer und sicherer ist, wird man aber erst nach Langzeitstudien wissen. Hier wie dort steht die klinische Anwendung der HIV-Gentherapie noch am Anfang.
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