Berlin erwägt offenbar Desinfektion von öffentlichen Verkehrsmitteln

Öffentliche Verkehrsmittel werden in Berlin nicht desinfiziert, sondern nur regelmäßig gereinigt. Dabei bleiben Coronaviren fast eine Woche lang an glatten Flächen haften – Foto: ©Song_about_summer - stock.adobe.com
Großbritannien tut es, China tut es und sogar kleinere Städtchen in Deutschland tun es: Öffentliche Verkehrsmittel desinfizieren. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) hält man trotz Coronakrise bislang nichts davon. „Der positive Effekt einer Desinfektion von Haltestangen und Türöffnungsknöpfen wäre leider nur von sehr kurzer Dauer, da direkt im Anschluss die nächste Person diese Stelle berührt und sie somit bereits nicht mehr desinfiziert wäre“, twitterte die BVG vergangene Woche. Man reinige die Züge aber regelmäßig.
Rückendeckung bekommt die BVG von einer heute veröffentlichten Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Virologie und der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.
Neue Stellungnahme von Virologen
Desinfektionsmaßnahmen sind danach nur im medizinischen Bereich und in medizinisch begründeten Fällen erforderlich. Für den öffentlichen Bereich sei dagegen gründliches Händewaschen die wichtigste Maßnahme ist, um sich vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Heißt unterm Strich: Eine Flächendesinfektion in Bussen und Bahnen, Kindergärten und Schulen ist nicht nötig bzw. nicht sinnvoll.
Müller will Hygieneregeln im öffentlichen Nahverkehr verstärken - vielleicht
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller gerät unterdessen immer weiter unter Druck. Am Dienstag hatte Berlin beschlossen, Staatliche Theater und Opernhäuser zu schließen und Großveranstaltungen ab 1.000 Menschen zu verbieten.
Am Mittwoch erklärte Müller in der rbb Abendschau, man werde in öffentlichen Verkehrsmitteln Hygieneregeln noch verstärkter umsetzen und zu anderen Reinigungsintervallen kommen. „Und wir werden auch Desinfektionsmaßnahmen im Öffentlichen Personennahverkehr ergreifen“, erklärte er, schränkte seine Aussage aber zugleich wieder ein, indem er ein „vielleicht“ zufügte und von „täglichen Neuentscheidungen“ sprach.
Bitte hinten einsteigen
Am Mittwochmittag hatte die BVG bereits angekündigt, dass ab dem heutigen Donnerstag die vordere Tür von Bussen geschlossen bleibt. Fahrscheine gibt es also ab sofort nicht mehr beim Busfahrer, sondern müssen an Automaten gezogen werden. „Damit soll die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung beim Fahrscheinverkauf und einem damit verbundenen Geldwechsel sowohl für die Fahrerinnen und Fahrer als auch für alle Fahrgäste minimiert werden“, heißt es in einer Mitteilung der BVG.
Unter anderem über die Bildschirme des Berliner Fensters in den U-Bahnen will die BVG ihre Fahrgäste aufrufen, Busse und Bahnen aktuell mit besonderer Umsicht zu nutzen. Dazu gehören die bekannten Verhaltensempfehlungen der Gesundheitsbehörden, zum Beispiel das Husten und Niesen in die Armbeuge.
Coronavirus haftet vermutlich sechs Tage an Haltegriffen in Bus und Bahn
Vom SARS-1-Coronavirus von 2002/2003 weiß man, dass es auf glatten Oberflächen, also auch auf Haltegriffen und Haltestangen in öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu sechs Tage vermehrungsfähig ist. Die einschlägigen Fachgesellschaften gehen aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit und der engen Verwandtschaft davon aus, dass dies beim aktuell zirkulierenden Coronavirus genauso ist.
Eine Übertragung des Virus über Flächen, die man anfasst, ist also durchaus möglich. Die meisten Infektionen werden jedoch durch den direkten Kontakt mit infizierten Menschen ausgelöst. Hustet oder niest ein Infizierter, werden die Coronaviren selbst noch bei zwei Meter Abstand übertragen. So viel Platz ist in den Bussen und Bahnen nicht.
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