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Bei welchen Störungen die Systemische Therapie helfen kann

Montag, 31. Juli 2017 – Autor:
Für die Systemische Therapie liegt der Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vor. Demnach gibt es Hinweise auf einen Nutzen bei Angst- und Zwangsstörungen. Dennoch scheint die Behandlung anderen Therapieformen unterlegen zu sein.
Psychotherapie

Bei einer Psychotherapie haben Patienten die Wahl zwischen verschiedenen Therapieformen

Bisher ist die Systemische Therapie nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) vertreten. Erstattet werden bislang nur die analytische und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sowie die Verhaltenstherapie. Der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) hat daher das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den Nutzen der Systemischen Therapie bei Erwachsenen zu bewerten – denn dieser Nachweis ist die Voraussetzung, um das Verfahren in den Katalog der GKV aufzunehmen. Bereits im Jahr 2016 hatte das IQWiG einen Vorbericht veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nun wurde der Abschlussbericht zusammen mit den eingereichten Stellungnahmen veröffentlicht.

Bei Angst- und Zwangsstörungen kann Systemische Therapie helfen

Das Ergebnis des Berichts: Die verfügbaren Studiendaten zeigen bei Angst- und Zwangsstörungen sowie bei Schizophrenie einen Hinweis auf einen Nutzen der Systemischen Therapie gegenüber keiner Behandlung. Gegenüber Beratung und Informationsvermittlung zeigen die Daten bei den Angst- und Zwangsstörungen allerdings lediglich einen Anhaltspunkt für einen Nutzen und gegenüber der Psychotherapie fallen die Ergebnisse sogar zuungunsten der Systemischen Therapie aus.

Bei Schizophrenie fehlen für den Vergleich mit anderen psychotherapeutischen Verfahren Daten, gegenüber Beratung und Informationsvermittlung lässt sich aus den verfügbaren Studienergebnissen kein Nutzen oder Schaden ableiten. Weder Vor- noch Nachteile der Systemischen Therapie konnten die Forscher zudem bei der Demenz sowie bei Persönlichkeitsstörungen feststellen. Entweder es gab keine Daten oder sie zeigten keine (relevanten) Unterschiede. Bei den übrigen fünf Störungsbereichen (depressive Störungen, Essstörungen, gemischte Störungen, körperliche Erkrankungen, Substanzkonsumstörungen) liefern die Daten jeweils Anhaltspunkte für einen Nutzen bei einem oder mehreren Vergleichen.

Systemische Therapie ist vielgestaltig

Bei der Systemischen Therapie handelt es sich um eine vielgestaltige Therapieform. Im Allgemeinen geht es darum, nicht die einzelne Person oder das Symptom zu betrachten, sondern den Kontext, in dem es auftritt. Primär stehen dann die Beziehungen einer Familie oder Gruppe im Fokus, die ein System aufrechterhalten. Mit verschiedensten Techniken wird zudem versucht, symptomfördernde Interaktionen und Strukturen, dysfunktionale Lösungsversuche und einschränkende Familienerzählungen infrage zu stellen und ihnen neue, gemeinsam mit dem Patienten zu entwickelnde Interaktionen entgegenzusetzen. Im Idealfall – so die Idee – kann das System so verändert werden, dass das Symptom nicht mehr „notwendig“ ist. Das Verfahren wird als Einzel-, Paar- oder Gruppentherapie eingesetzt.

Obwohl die Forscher bei ihrer Recherche eine relativ hohe Zahl von Studien fanden, welche die Systemische Therapie untersucht hatten, konnte doch nur ein Teil in die Bewertung einbezogen werden. Das lag unter anderem daran, dass die Studienpopulationen oft nicht der Fragestellung des Auftrags entsprachen, etwa wenn die Studien nicht psychisch Kranke, sondern Schwangere untersuchten, bei denen Angst vor der Geburt mittels Systemischer Therapie reduziert werden sollte. Zudem waren die meisten Studien relativ klein.

Viele Studien wiesen mangelhafte Qualität auf

Ein weiteres Problem: Wie auch bei anderen Psychotherapien handelte es sich bei den Analysen stets um offene, nicht verblindete Studien. Bei einem großen Teil der einbezogenen Studien stellten die Wissenschaftler zudem fest, dass ihre Durchführung nicht ausreichend beschrieben war, um die Qualität bewerten zu können. Weil Daten zu unerwünschten Ereignissen ganz fehlten, war eine Gesamtbeurteilung von Nutzen und Schaden den Sachverständigen zufolge nicht möglich.

Nur vier der insgesamt 42 eingeschlossenen Studien waren qualitativ so hochwertig, das die Ergebnissicherheit nicht vermindert war. „Was wir hier sehen, scheint leider typisch zu sein für die psychotherapeutische Forschung“, konstatiert Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren im IQWiG. „Internationale Standards haben sich hier bedauerlicherweise noch immer nicht durchgesetzt.“ Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren seien in mancher Hinsicht schwieriger als Arzneimittelstudien, so Sauerland. „Aber auch hier sind aussagekräftige Studien nicht nur geboten, sondern auch machbar.“

Foto: © WavebreakMediaMicro - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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