Bei Sommergrippe sind Antibiotika in der Regel nutzlos
Heiße Temperaturen schützen nicht vor Erkältungskrankheiten wie Sommergrippe. Denn Viren machen auch im Sommer nicht Halt und verursachen Symptome, die die meisten nur mit dem Winter in Verbindung bringen: Schnupfen, Halsschmerzen, Bronchitis und gelegentlich auch Fieber. Der Volksmund spricht deshalb von Sommergrippe. Obwohl es sich dabei in den meisten Fällen um einen viralen Infekt handelt, werden Antibiotika nach wie vor in großen Mengen verschrieben. Dabei helfen Antibiotika nur bei Erkältungen mit bakterieller Ursache; bei einer Sommergrippe ohne bakterielle Superinfektion sind sie hingegen wirkungslos.
Schonung ist das beste Mittel gegen Sommergrippe
"Einige Erkältungen müssen einfach durchgestanden werden", erklärte Tim Steimle, Leiter des Fachbereiches Arzneimittel der Techniker Krankenkasse (TK) bei der Vorstellung des neuen TK-Gesundheitsreports am Mittwoch in Berlin. Der Report zeigt, dass jeder vierte TK-Versicherte bereits bei kurzen Krankschreibungen bis zu drei Tagen ein Antibiotikum verordnet bekommen hat. Bei Krankschreibungen von einer Woche bekommt sogar schon jeder dritte ein Antibiotika-Rezept in die Hand gedrückt.
Die Kasse spricht von besorgniserregenden Zahlen. Denn die sorglose Verordnung hat Folgen: Der breite Einsatz von Antibiotika ist der Hauptgrund für die Zunahme multiresistenter Keime. Zudem werden Patienten unnötigerweise dem Risiko von Nebenwirkungen ausgesetzt. „Die hohe Zahl der Verordnungen bei kurzer Krankheitsdauer lässt darauf schließen, dass Antibiotika häufig "auf Verdacht" verschrieben werden, obwohl eine bakteriell bedingte Erkältung nicht nachgewiesen ist“, betonte Steimle. Vor allem bei erkälteten Kindern sei der Druck in der Arztpraxis groß, dass ein Medikament verschrieben werden solle. "Hier fordern wir mehr Verständnis von allen Parteien.“
Nordrhein-Westfalen bei den Antibiotika-Verordnungen Spitzenreiter
Laut Gesundheitsreport der TK gibt es im bundesweiten Verordnungsverhalten große regionale Unterschiede. Im Saarland und in Nordrhein-Westfalen sind die Verordnungsraten besonders hoch: In diesen beiden Bundesländern werden 5,8 Tagesdosen pro Kopf verschrieben, in Sachsen dagegen nur 3,7 Tagesdosen. „Diese Unterschiede sind epidemiologisch nicht zu erklären“, meinte Steimle. Hier sollten Maßnahmen ergriffen werden, die den gezielten Einsatz von Antibiotika stärkten.
Gleichzeitig kritisierte er die Pharmaindustrie. "Es kommen viele Medikamente vor allem für spezielle Erkrankungen mit hohen Arzneimittelpreisen auf den Markt - meist mit geringem Zusatznutzen. Obwohl es hier enormen Bedarf gibt, haben wir neue Antibiotika schon lange nicht mehr gesehen.“
Für den TK-Gesundheitsreport wurden die Arzneimittelverordnungen von 4,36 Millionen TK-versicherten zwischen 15 und 64 Jahren aus dem Jahr 2014 analysiert.