Bei Schmerzen ist Tapferkeit unangebracht
Akute Schmerzen sind ein Warnsignal des Körpers, mit dem dieser zeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Die Schmerzen tapfer auszuhalten, ist dann meist keine sinnvolle Option. Betroffene sollten vielmehr möglichst zeitnah einen Arzt aufsuchen, um bei Bedarf mit einer Behandlung zu beginnen und einer möglichen Chronifizierung entgegenzuwirken. Denn die Beschwerden können auch bestehen bleiben, wenn die eigentliche Ursache längst behoben wurde – der Schmerz ist dann chronisch geworden und lässt sich nur noch schwer behandeln. Gesundheitsexperten haben nun gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ Tipps zum Umgang mit akuten und chronischen Schmerzen gegeben.
Über zwei Millionen Menschen leiden dauerhaft an starken Schmerzen
„Von chronischen Schmerzen sprechen wir immer dann, wenn sie länger andauern, als es der Heilungsprozess erwarten ließe“, erklärt Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums Göppingen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, gegenüber der „dpa“. Betroffen seien einer Studie zufolge rund 23 Millionen Menschen in Deutschland. Nur fünf Prozent der Schmerzen sind laut der Deutschen Schmerzgesellschaft auf Tumorerkrankungen zurückzuführen. Zwar sind nicht alle Schmerzpatienten so stark betroffen, dass sie in ihrem Alltag eingeschränkt sind, doch 7,4 Prozent von ihnen erfüllen die Kriterien eines dauerhaften, nicht tumorbedingten, beeinträchtigenden Schmerzes. Und über zwei Prozent erleben die Beschwerden sogar in der besonders heftigen Form der sogenannten „Schmerzkrankheit“, welche mit starken körperlichen und psychischen Einschränkungen einhergeht.
Wie aus Daten des Bundesversicherungsamts hervorgeht, leiden über zwei Millionen Menschen in Deutschland an schweren chronischen Schmerzen. Und viele von ihnen werden nicht ausreichend versorgt. So kann nur etwa jeder achte von einem der rund 1100 spezialisierten Schmerzmediziner in Deutschland behandelt werden. Experten bemängeln schon lange, dass es an Nachwuchs auf diesem Gebiet fehlt. Die Krankenkassen verweisen hingegen darauf, dass die schmerztherapeutische Versorgung zu den Grundkenntnissen der medizinischen Ausbildung gehöre. Es gehe also nicht unbedingt um eine Erhöhung der Anzahl von Schmerzmedizinern, sondern erst einmal um eine verbesserte Zusammenarbeit der vorhandenen Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte.
Schmerz verselbständigt sich
Wie ein chronischer Schmerz entsteht, können die Mediziner mittlerweile recht gut nachvollziehen. „Das Nervensystem ist extrem lernfähig“, so Müller-Schwefe. „Durch wiederholte Schmerzerfahrung verändern sich die Steuerprozesse bei der Weiterleitung der Signale: Nerven reagieren auch schon auf geringe Reize oder produzieren die Schmerzinformation sogar selbst.“ Die Folge könne eine erhöhe Berührungsempfindlichkeit sein; ebenso sei es möglich, dass Schmerzen ohne erkennbare Ursache auftreten. Auch psychische Belastungen können ein Auslöser sein: „Sie führen dazu, dass die Filterfunktionen der körpereigenen Schmerzkontrolle nicht mehr funktionieren und Schmerzreize unkontrolliert durchgeschaltet werden“, erläutert Müller-Schwefe weiter. Da allein Medikamente in diesem Stadium meist nicht mehr viel helfen, ist eine sogenannte multimodale Schmerztherapie oft der beste Weg. Die Patienten lernen dabei, mit ihrer Krankheit besser umzugehen, und erfahren, was sie tun können, um sich besser zu fühlen und wieder leistungsfähiger zu werden.
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