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Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für psychisch Erkrankte ein steiniger Weg

Mittwoch, 4. Dezember 2013 – Autor: Felix von Billerbeck
Menschen im Hartz IV-Bezug (Arbeitslosengeld II), die psychisch erkrankt sind, haben es schwer, den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Eine Studie zeigt große Reibungsverluste im staatlichen Unterstützungsangebot auf.
Arbeitslosigkeit und psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen bei Hartz IV-Empfängern häufig nicht erkannt – Foto: Andrzej Wilusz - Fotolia

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hat in einer jüngst veröffentlichten Studie die Situation von Hartz IV-Beziehern (Grundsicherung für Arbeitssuchende) untersucht, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Im Jahre 2011 bezogen rund 4,6 Millionen Menschen Hartz IV. Ein Drittel dieser Leistungsbezieher wiesen innerhalb eines Jahres eine psychiatrische Diagnose auf. Damit handelt es sich um eine beachtliche Größenordnung.

Beratern fehlt es an Wissen über psychische Erkrankungen  

Die Studie belegt die Einschätzung von Experten, dass die Teilhabe psychisch Erkrankter an Arbeit und Beschäftigung durch das soziale Unterstützungssystem erschwert wird. So sind die Berater der Arbeitsverwaltung in der Regel nicht in der Lage, zwischen Arbeitssuchenden, die nur niedergeschlagen sind und solchen, die eine psychische Erkrankung haben, zu unterscheiden. Den Vermittlungsfachkräften der Arbeitsverwaltung fehlt es an spezifischem Wissen, um psychische Erkrankungen zu erkennen.

Die Komplexität psychischer Erkrankungen kann von den Beratern der Arbeitsverwaltung auch häufig nicht erkannt werden, da sie sich hinter „üblichen“ Vermittlungsproblemen wie fehlender beruflicher Qualifikation, Schulden- und Familienproblemen verbergen. Die Vermittler erwarten zudem, dass sich die Betroffenen selbst aktiv einbringen, was sie auf Grund ihrer Erkrankung zumeist nicht können.

Arbeitssuchende mit psychischen Erkrankungen brauchen längerfristige Begleitung     

Eine berufliche Perspektive ist für viele psychisch Erkrankte, die arbeiten möchten, nur bei einer Begleitung während der ersten Zeit der Beschäftigung möglich. Die individuelle Begleitung muss Art und Umfang der psychischen Erkrankung erkennen und auf die Potenziale aufbauen, die die Menschen mitbringen. Hierzu bedarf es immer der Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und sozialpsychiatrischen Fachdiensten vor Ort. Diese Zusammenarbeit ist aber in der Praxis eher schlecht entwickelt. So wird beispielsweise das Instrument der psychosozialen Betreuung im Rahmen kommunaler Eingliederungsleistungen nur gering genutzt. Fast durchweg kritisch beurteilen die sozialpsychiatrischen Fachdienste, die Ansprechpartner für Ärzte, Therapeuten und Beratungsstellen sind,  die Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung.

Modellprojekte, die die Studie ausgewertet hat, zeigen, dass eine bessere Unterstützung der psychisch Erkrankten bei der Arbeitssuche vor allem durch ein spezifisches Fall-Management umgesetzt werden kann. Es ist offen, ob dies im Rahmen einer verbesserten regionalen Kooperation oder mittels eines neuen Fachdienstes erreicht wird.      

"Wir fühlen uns von dieser Studie herausgefordert, dieses Thema noch intensiver zu bearbeiten als bisher", sagte das für Hatz IV zuständige -Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Heinrich Alt. Er appellierte an die Arbeitgeber, psychisch erkrankten Menschen eine Chance zu geben. "Denn viele von ihnen sind hochproduktiv und hochintelligent. Aber sie müsse in einem Rahmen arbeiten, der nicht zusätzlich belastet, sondern in einem Arbeitsumfeld, das zur Genesung beiträgt", so Alt. 

Arbeit für psychisch kranke Menschen, dies zeigt die Studie, ist ein zentrales Thema sowohl für die Psychiatrie, als auch für die Arbeitsverwaltung und die Fachdienste. Auf einer Fachveranstaltung am 08.01.2014 www.gesundheitsstadt-berlin.de/veranstaltungen/artikel/fachveranstaltung-arbeit-fuer-psychisch-erkrankte-2311/ wird dieses Thema in Berlin ausführlich erörtert.       

Foto: © Andrzej Wilusz - Fotolia.com

Hauptkategorien: Demografischer Wandel , Medizin

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