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Assistenzsysteme: Praktisch aber wenig praktikabel?

Sonntag, 7. September 2014 – Autor: Cornelia Wanke
Die Technik ist da – aber bis Assistenzsysteme flächendeckend in der Praxis eingesetzt werden können, ist noch viel zu tun. Das war das Fazit eines Workshops im Rahmen des Demographiekongresses in Berlin.

Machen Spaß und verbessern die Kommunikation: Tablets in Seniorenheimen. – Foto: © Robert Kneschke

Dr. Axel Viehweger, Vorstand Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. Dresden legte dar, dass es heutzutage noch zwischen 20.000 und 25.000 Euro koste, eine Zweiraumwohnung „barrierearm“ umzubauen. Das bedeute eine Mieterhöhung um etwa 3 Euro pro Quadratmeter für Einrichtungen wie Wasserstop, Stromstopp, intelligente Türen, Bewegungsmelder zur Sturzprävention und Lichtleitsysteme in der Nacht. Viehweger: „Wenn die Politik es wirklich ernst meint mit dem Credo  ambulant vor stationär, dann sollte sie auch das Thema Finanzierung von Assistenzsystemen mit in Angriff nehmen.“ Denn volkswirtschaftlich sinnvolle seien solche Systeme auf jeden Fall sinnvoll – und immer noch günstiger als betreutes Wohnen. Für einen Notruf-Knopf bekomme immerhin einen Zuschuss, jedoch nicht für Assistenzsystem. „Ich möchte da eine Umkehr der Geldströme“, so Viehweger. 

Für die Industrie ist es heute schwierig, tragbare Geschäftsmodelle im Bereich AAL zu entwickeln

Christoph Meyer-Delpho von der Deutschen Telekom Healthcare and Security Solutions betonte, dass es auch aus der Perspektive der Industrie nicht einfach sei, auf dem Gebiet der Assistenzsysteme tragbare Geschäftsmodelle zu entwickeln. Bei der Telekom laufen hier einige Modellprojekte, die zeigen sollen, was möglich und machbar ist. „Wir wissen zwar, dass es ein schwieriges Feld ist, aber ohne Pioniere wie uns wird es auf Dauer schwierig werden, solche AAL-Systeme in die Welt zu bringen. Dass diese aber sinnvoll und naheliegend sind, zeige beispielsweise das SAPV (Spezialisierte ambulante Palliativversorgung)-Projekt mit den Lahn-Dill-Kliniken in Hessen, bei dem eine elektronische Patientenakte die Kommunikation zwischen den vielen beteiligten Leistungserbringern vereinfacht und strukturiert. „8 von 10 Menschen sterben immer noch im Krankenhaus. Die Versorgung ist hochkomplex – kein Wunder also, dass hier ein Ansatzpunkt für Telematik ist.“ Eine Betrachtung der qualitativen sowie ökonomischen Versorgungsaspekte, sowie ökonomische und eine Nutzenbewertung aus Sicht aller Akteure habe ergeben, dass das Modell tragfähig sei: Vereinfachte Leistungsprozesse, mehr Transparenz, Rückgang der Hospitalisierung um 46 Prozent, Reduktion unnötiger Prozesszeiten um 28 Prozent, Anstieg betreuter Patientenzahlen bei gleichbleibendem Personalschlüssel – die Zahlen und Fakten sprächen für sich. 

Praktikern und Patienten nützen die AAL-Systeme, doch die Hürde der Finanzierung bleibt

Aus Sicht der Leistungserbringer referierte Angelika Pfab, Geschäftsführender Vorstand, Evangelischer Pflegedienst München e.V. : „Wir haben einen Tagesplaner mit  Video-Kommunikation in Zusammenarbeit mit T-Systems im Einsatz – und die ersten Ergebnisse zeigen uns, dass uns diese Mittel nicht nur die Kommunikation erleichtern, sondern dass unsere Bewohner auch Spaß an der Technik haben.“ Die Hürde sei jedoch, wie eine Refinanzierung in der Praxis aussehe. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Pflegekasse hier einen Zuschuss bezahlt“, so Pfab. 

Matthias Brauchle, stellvertretender Leiter des Innovationszentrums der Evangelischen Heimstiftung GmbH, Stuttgart, hob auf die Mehrdimensionalität zwischen Pflege und Technik ab. Man müsse sich auch fragen, welche Folgen der Einsatz von Technik habe. Als kirchliche Einrichtung betrachte er das als ein Muss. „Und dann müssen wir uns fragen, ob die technische Entwicklung auch die Bedarfe der von uns betreuten Personen im Fokus hat“. Deshalb habe sich seine Einrichtung mit Bedacht – und mit wissenschaftlicher Anleitung an die Entwicklung eines „mitalternden AAL-Gesamtmodells“ gemacht. In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Informatik in Karlsruhe entstand so das AAL-Dienstleistungsmodell „Methodik zur pflegebezogenen Entwicklung eines bedarfsorientierten AAL-Dienstleistungsmodell“. Dass die Einführung von AAL-Systemen in die Praxis in der Praxis sinnvoll aber langwierig und nicht ohne Hürden zu nehmen seien, darüber waren sich am Ende alle Workshop-Referenten und auch die Teilnehmer einig. Moderatorin Dr. Sibylle Meyer brachte es auf den Punkt: „Die Technik haben wir - aber an der sinnvollen Integration müssen wir noch arbeiten!“ 

Foto: Robert Kneschke - Fotolia.com

Hauptkategorien: Berlin , Demografischer Wandel , Pflege

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