Arteriosklerose: Blutfette doch nicht die Übeltäter?
Arteriosklerose, also eine Verkalkung der Blutgefäße, kann zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Blutfette gelten als die wesentlichen Übeltäter. Eine neue Theorie besagt jedoch, dass das Cholesterin an den Gefäßwänden nicht zwangsläufig aus dem Blut stammt, sondern vielmehr von abgestorbenen Zellen, die aufgrund von Versorgungsstörungen in den Gefäßen ihren „Zellmüll“ als Plaques hinterlassen. Aufgestellt hat sie der Herzchirurg Prof. Axel Haverich von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
In einem Artikel in der Fachzeitschrift „Circulation“ macht der Herzspezialist hautsächlich Entzündungsreaktionen für die Versorgungsengpässe verantwortlich. Diese entstünden durch Bakterien, Viren und Feinstaub, aber auch durch oxidiertes LDL-Cholesterin. So seien in den Plaques bis zu 30 verschiedene Mikroben nachgewiesen worden. Blutfette könnten diesen Umstand nicht erklären, meint der Wissenschaftler.
Zellabfälle lagern sich an den Gefäßinnenwänden ab
Haverich erklärt: „Die abgestorbenen Zellen, einschließlich der Fettreste werden nun vom Immunsystem abgebaut. Durch die Reparaturprozesse des Immunsystems entstehen dort „Zellabfälle“, die Plaques, die zu einer Verdickung der Arterieninnenwand führen und schließlich einen Verschluss des Muttergefäßes herbeiführen können. Er fügt hinzu: „Während hunderter Bypass-Operationen konnten wir feststellen, dass immer nur bestimmte Abschnitte der Herzkranzgefäße verkalkt waren, während dasselbe Gefäß an anderen Stellen niemals krankhaft verändert ist“, berichtet Professor Haverich.
Diese Beobachtung habe er auch in anderen Stromgebieten, beispielsweise im Oberschenkel, gemacht. Die arteriosklerosefreien Stellen seien ebenfalls von Muskel umgeben gewesen. „Da alle kleineren Arterien des Menschen ohnehin nur selten betroffen sind, muss bezweifelt werden, dass der Prozess eine generalisierte Erkrankung darstellt, die an der Innenwand beginnt,“ so der Herzspezialist.
Oft stecken Entzündungen hinter einem Herzinfarkt
Neben eigenen chirurgischen Beobachtungen stützt sich Haverich dabei auch auf klinische Daten aus früheren Publikationen. Einige Studien hatten eindeutige Zusammenhänge zwischen Herzinfarkt und Grippe-Epidemien mit Lungenentzündungen nachgewiesen. Ferner führt Haverich Studienergebnisse an, wonach Feinstaub ein Risikofaktor für Herzinfarkte ist.
Entzündungen würden als Risikofaktor für Herzinfarkte bislang nicht genügend Beachtung finden, schreibt Haverich. Seiner Ansicht nach hat die Infektionsprävention jedoch einen ebensolchen Stellenwert wie gesunde Ernährung, Bewegung und ausreichend Schlaf.
Arteriosklerose lässt sich bislang nicht mit regenerativen Methoden rückgängig machen. Die Schulmedizin kann lediglich die Engstellen mittels Ballonkatheter oder Stents freilegen oder mit Bypässen umgehen. Haverich hofft, dass seine neue Theorie weitere Ansatzpunkte für innovative Behandlungsansätze liefert.
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