Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
 

AOK sieht Terminservice- und Versorgungsgesetz skeptisch

Freitag, 28. Dezember 2018 – Autor:
Lässt sich einer schnellere Terminvergabe beim Arzt gesetzlich verordnen? Die AOK zweifelt daran. Viele Probleme würden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz nicht gelöst. Zum Beispiel der Ärztemangel im ländlichen Raum.
Kritik am Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Kritik am Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Wo kein Arzt ist, ist auch kein schneller Termin

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Patienten einen schnelleren Termin beim Arzt garantieren. Dafür werden niedergelassene Ärzte im kommenden Jahr unter anderem verpflichten, künftig 25 Sprechstunden für Kassenpatienten freizuhalten. Bislang waren es 20 Stunden pro Woche. Außerdem müssen bestimmte Facharztgruppen wie konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte mindestens fünf Stunden als offene Sprechstunde, das heißt ohne vorherige Terminvereinbarung anbieten. Weiter sollen die Aufgaben der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert werden. Dafür sieht der Gesetzentwurf eine extrabudgetäre, teilweise höhere Vergütung vor.

Erst schließt der Tante Emma-Laden, dann geht der Doktor

„Wir werden dafür zwar 600 Millionen Euro zusätzlich ausgeben müssen, bessere Versorgung ist dadurch aber längst nicht garantiert“, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Martin Litsch im Interview mit der "Bild" am 27. Dezember. Der Kassenchef sieht das Vorhaben vor allem im ländlichen Raum skeptisch. "Erst schließt der Tante-Emma-Laden, dann die Apotheke, dann geht der Doktor“, sagte Litsch. „Dieses Problem haben wir noch nicht gelöst.“

Sein Vorschlag: Mehr Versorgungszentren und Tele-Medizin. Hier müsse man viel aktiver werden und mehr Mut bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens haben. Video-Sprechstunden müssten künftig Alltag sein. Dafür sollten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, erklärte Litsch in der Bild. „Natürlich müssen sich Arzt und Patient persönlich kennen. Aber sie müssen sich nicht für jedes Gespräch persönlich sehen."

 

Kritik an geringer Spezialisierung der Krankenhäuser

Litsch kritisierte außerdem Qualitätsmängel in der Kliniklandschaft und verwies in diesem Zusammenhang auf den Qualitätsmonitor 2019, der Schwächen in der Versorgung Frühgeborener sowie in der Behandlung von Krebs- und Herzpatienten aufzeigt. Auch der Krankenhaus-Report 2018 der AOK hatte strukturelle Mängel offengelegt.

"Wir haben zu viele Krankenhäuser, zu viele Betten, zu wenig Spezialisierung. Jeder macht alles. Und es fehlt an Durchsetzungskraft, das zu ändern.“ Seiner Ansicht könnte rund ein Viertel der knapp 2.000 Krankenhäuser in Deutschland geschlossen werden, ohne dass ein Versorgungsnotstand ausbricht.  „Nehmen Sie das Ruhrgebiet: Da gibt es an jeder Straßenecke ein Krankenhaus“, sagte Litsch. „Wenn Sie da eine Klinik schließen, bedeutet das für niemanden weitere Wege.“ Wenn jemand eine schwere Krankheit habe, dann nehme er auch einen weiteren Weg in Kauf, um zu einem Spezialisten zu kommen. „Die Menschen wollen schließlich eine gute Behandlungs-Qualität.“

Foto: pixabay

Hauptkategorien: Berlin , Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Gesundheitspolitik , Ärzte , Ärztemangel
 

Weitere Nachrichten zum Thema Gesundheitsversorgung

19.01.2019

Seit Monaten wird das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) heftig diskutiert. Unter anderem steht die geplante Erhöhung der Mindestsprechzeiten bei niedergelassenen Ärzten in der Kritik. Das Bundesgesundheitsministerium will jedoch daran festhalten.

 

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Noch zu wenige Versicherte nehmen die Darmkrebsvorsorge wahr. Die AOK Nordost geht deshalb neue Wege. Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied der Geschäftsleitung der AOK Nordost und verantwortlich für das Ressort Versorgung, erläutert das Engagement, das soeben mit dem Felix Burda Award ausgezeichnet wurde.
 
Weitere Nachrichten
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll bis Ende 2024 kommen - für alle. Die Daten werden pseudonymisiert ausgewertet. Das ist Teil eines von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgestellten Gesetzes. Die Ärzteschaft fordert Konkretisierungen im Detail.

Die Zahl der Krankenhaus-Fälle ist 2022 im Vergleich zu 2019 um 15 Prozent gesunken - noch stärker als 2020 (minus 13 Prozent) und 2021 (minus 14 Prozent). Das zeigt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Der Berliner Corona-Lagebericht informiert weiterhin über die aktuelle Infektionslage in der Stadt und ihren Bezirken. Doch weil sich die Lage geändert hat, hat der Berliner Senat den Bericht nun überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst.
 
Interviews
Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.

Aducanumab ist das erste in den USA zugelassene Medikament, das die Alzheimer typischen Amyloid-Plaques zum Verschwinden bringt. Aber kann der neue monoklonale Antikörper mit dem Handelsnamen Aduhelm auch den Gedächtnisverlust stoppen? Und warum ist die Notfallzulassung in den USA durch die US-Food and Drug Administration (FDA) so umstritten? Darüber hat Gesundheitsstadt Berlin mit dem Neurologen und Alzheimer-Experten Prof. Johannes Levin vom LMU Klinikum München gesprochen.
Logo Gesundheitsstadt Berlin