AOK fordert Werbeverbot für ungesunde Kinder-Nahrungsmittel

Supersweet seit 1985 – und leider auch super-ungesund: Die AOK fordert ein Werbeverbot vor allem für überzuckerte Kinder-Lebensmittel. – Foto: AdobeStock/JoyImage
Zucker ist zunächst einmal süß und durch Schoko-Weihnachtsmänner, Gummibärchen oder Frühstücks-Knuspereien für viele positiv besetzt. Besäßen zuckerhaltige Produkte aber einen Beipackzettel wie bei Arzneimitteln der Fall, würden ihn viele wahrscheinlich nicht mehr ganz so gedankenlos essen wie bisher. Wie sich so ein Beipackzettel lesen würde, kann man anhand einer aktuellen Warnung der AOK vor den Folgen des überall vorhandenen Zuckers vor allem für Kinder erahnen, die die Kranken und Toten von morgen seien. Dort heißt es wörtlich: „Aktuell sind bereits etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von Adipositas betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.“
„Zuckerkrankheit“ Diabetes: „Die nächste Pandemie“
Die Zahl der Patienten mit Diabetes Typ 2 beispielsweise explodiert. Die „Deutsche Diabetes Gesellschaft“ (DDG) spricht in diesem Zusammenhang von „der nächsten Pandemie“ und einem „gesamtgesellschaftlichen Problem“ und hatte bereits in der Vergangenheit die Politik dazu aufgefordert, klare Kante zu zeigen: mit Mehrwertsteuersätzen, die den Einkauf gesunder Lebensmittel belohnen und den ungesunder bestrafen; und einem Verbot von Werbung für Dickmacher – denn die hat gezielt Kinder im Visier.
Für diese Forderung macht sich jetzt auch die AOK stark. „Werbebeschränkungen für ungesunde Kinder-Lebensmittel in TV, Radio und Streaming-Diensten müssen verpflichtend werden“, fordert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. „Werbung beeinflusst nachweislich das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen und muss deshalb beschränkt werden.“
Discounter Lidl beendet Kinder-Marketing für Ungesundes
Anlass für diese Forderung ist die aktuelle Ankündigung des Discounters Lidl, sein Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel zu beenden. Ein Beispiel für solche Produkte: süße Frühstücks-Getreideprodukte. „Wir haben bereits 2020 in einer Studie nachgewiesen, dass Kinder-Cerealien Zuckerbomben sind“, sagt die AOK-Chefin. „99 Prozent der verkauften Produkte haben einen höheren Zuckergehalt als die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Menge von 15 Gramm je 100 Gramm.“
AOK: Politik muss Zuckergehalt in Lebensmitteln reduzieren
Neben einem Werbeverbot fordert die AOK Politik und Wirtschaft dazu auf, für eine Verringerung des Zuckergehalts in Fertigprodukten zu sorgen. Der dramatischen Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in Deutschland müssten endlich wirksame und effektive Maßnahmen entgegengestellt werden, sagt AOK-Vorstandschefin Reimann. „Deshalb muss die Bundesregierung im Rahmen der Ernährungsstrategie verbindliche Ziele festlegen, um den Zuckergehalt in Fertigprodukten zu reduzieren."
Schrittweises Werbeverbot: So lief es bei der Tabakwerbung
Auch wenn für viele so etwas wie ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel vielleicht kaum vorstellbar ist: Wie das funktionieren kann, lässt sich anhand der Werbung für Tabakprodukte nachvollziehen, die noch vor einigen Jahrzehnten überall präsent war und Kultfiguren wie das HB-Männchen oder Trickfilm-Klassiker wie das animierte und leicht tolpatschige Plüschtier hervorbrachte, das für die Marke „Camel“ warb, obwohl es strenggenommen ein Dromedar war – es hatte schließlich nur einen Höcker.
Zigaretten und Zucker: Kinder und Jugendliche durch Werbung besonders beeinflussbar
Tabakkonsum verursacht Volkskrankheiten und Tote – und Tabakwerbung beeinflusst das Rauchverhalten. Studien belegen, dass Zigarettenwerbung insbesondere bei Jugendlichen das Risiko erhöht, mit dem Rauchen zu beginnen. Aus diesen Gründen unterliegt sie in Europa eindeutigen – und inzwischen immer restriktiveren – Regeln. Der Mechanismus bei Werbung für ungesunde Lebensmittel und den Konsumfolgen verhält sich ähnlich.
Tabak-Werbung: 1975 omnipräsent – heute marginalisiert
Tabak-Werbeverbot: Das waren die Etappen: Als erstes wurde das Werben für Tabakprodukte in Hörfunk und Fernsehen verboten – das war 1975. 2007 wurde die deutsche Gesetzgebung an die Tabakwerberichtlinie der EU (2003/33/EG) von 2003 angepasst. Seitdem ist Tabak-Werbung auch in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und im Internet verboten (Ausnahme: Branchen-Publikationen).
Die jüngsten Entwicklungen: Seit 2021 gilt das Tabak-Werbeverbot auch in Kinos, wenn der jeweilige Film für Kinder und/oder Jugendliche freigegeben ist. Seit 2022 ist Tabakwerbung auch auf Außenwerbeflächen (etwa an öffentlichen Plakatwänden oder an Bushaltestellen) verboten. Ab diesem Jahr gilt das auch für Werbung für Tabakerhitzer. Ab 2024 darf auf Außenwerbeflächen nicht mehr für E-Zigaretten geworben werden.