Antivirale Behandlung fördert Coronavirus-Varianten

Eine antivirale Behandlung und eine lange Infektionsdauer sind ein Nährboden für neue Mutanten – Foto: © Adobe Stock/ Soni's
Es sind interessante Erkenntnisse über die Entstehung neuer Mutanten, die ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Leibniz-Instituts für Virologie (LIV) gewinnen konnten. Die Gruppe ging der Frage nach, welche Rolle die Dauer der Erkrankung dabei spielt. Gemeinhin wird angenommen, dass eine lange Infektionsdauer Brutstätte für neue Coronavirus-Varianten ist. Außerdem untersuchten die Forscher, ob bestimmte Behandlungsschemata die Entstehung neuer Mutationen fördern. Dahinter steht der Verdacht, dass eine antivirale Behandlung – zum Beispiel mit Remdesivir oder Rekonvaleszenzplasma - einen Selektionsdruck für den Erwerb von Fluchtmutationen ausüben könnte.
Therapie setzt Virus unter Druck
Dieser Verdacht wurde offenbar bestätigt. „Unsere Arbeit zeigt, dass es nicht die lange Infektionsdauer an sich ist, welche die Bildung neuer Varianten nach sich zieht, sondern dass es dazu vielmehr eines evolutionären Flaschenhalses bedarf, wie er beispielsweise durch eine antivirale Behandlung entstehen kann“, erläutert Prof. Nicole Fischer vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene des UKE die Ergebnisse. Diese Erkenntnis sei besonders mit Blick auf die jüngsten Diskussionen über den Einsatz von Remdesivir zur Behandlung von nicht hospitalisierten Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten wichtig, aber auch für die Einführung potenziell neuer antiviraler Therapeutika“, sagt sie.
Genomische Vielfalt des Virus ermittelt
Was wurde in der Studie gemacht? In der Studie wurde die genomische Vielfalt des Virus mittels Gesamtgenomsequenzierung an 14 Patienten untersucht, die schwer und lange an Covid-19 erkrankt waren (30 bis 146 Tage). Darunter waren sowohl immungeschwächte und immunkompetente Patienten mit oder ohne antivirale Behandlung, um das Auftreten von Mutationen mit und ohne Selektionsdruck zu bewerten. Patienten mit langanhaltender SARS-CoV-2-Infektion und antiviraler Remdesivir-Behandlung zeigten einen deutlichen Anstieg der viralen Intra-Host-Diversität mit neu auftretenden Mutationen. Im Gegensatz dazu konnte bei Patienten, die ausschließlich eine entzündungshemmende Behandlung erhielten, nur sporadisch das Auftreten neuer Varianten beobachtet werden.
Reservoir für Resistenzen
„Insgesamt war das Virus in den allermeisten untersuchten Personen erstaunlich stabil. Allerdings konnten wir in einer Patientin, die mit Remdesivir behandelt wurde, beobachten, dass es unmittelbar nach Behandlungsbeginn zur Bildung einer hohen Anzahl von Mutationen kam – darunter auch mindestens eine Mutation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhöhte Resistenz gegenüber Remdesivir vermittelt“, erläutert Prof. Adam Grundhoff, Leiter der LIV-Forschungsgruppe Virus Genomik.
Schwäche der Studie: mit 14 Probanden war die Studie sehr klein. Dennoch bestätigt sie die Befürchtung, dass das Virus einer antiviralen Therapie zu entkommen versucht.
Die Studienergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift Cell Reports Medicine veröffentlicht.