Antikörpertests zeigen: Sechsmal mehr Kinder infiziert als gemeldet

Ein neues Testverfahren für SARS-CoV-2 hat überraschende Ergebnisse erbracht – Foto: ©ryanking999 - stock.adobe.com
Nach Angaben der Forscher um Prof. Anette-G. Ziegler vom Helmholtz Zentrum München weisen derzeitige SARS-CoV-2-Antikörpertests eine mangelnde Spezifität auf, was zu einem großen Anteil falsch-positiver Ergebnisse führt. Die Wissenschaftler entwickelten daher einen neuen Test. Er zeichnet sich dadurch aus, dass das Testergebnis erst dann als Antikörper-positiv gilt, wenn sowohl gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus positiv getestet wurde. Dieser zweistufige und zweifach-positive Ansatz führt zu besonders genauen Ergebnissen mit einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent. Eines der Ergebnisse des neuen Tests: Sehr viel mehr Kinder in Bayern sind offenbar mit dem neuen Coronavirus infiziert als bisher angenommen.
Sechsmal mehr Kinder infiziert als angenommen
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler zwischen Januar und Juli 2020 knapp 12.000 Blutproben von Kindern zwischen 1 und 18 Jahren auf SARS-CoV-2-Antikörper. Wie sich zeigte, wiesen zwischen April und Juli im Durchschnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf. Im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung gemeldeten Fällen von Kindern in Bayern zwischen 0 und 18 Jahren war die Antikörperhäufigkeit damit sechsmal höher.
Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern zeigten keine Symptome. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben.
Kein Zusammenhang zwischen COVID-19 und Diabetes Typ 1
Die Forscher testeten die Kinder auch auf Typ-1-Diabetes-Autoantikörper, die als Früherkennungsmerkmal für präsymptomatischen Typ-1-Diabetes gelten. Eine Zunahme dieser Antikörper konnte jedoch nicht festgestellt werden. Dies lässt darauf schließen, dass COVID-19 und Typ-1-Diabetes bei Kindern nicht miteinander assoziiert sind, so die Forscher.
„Unsere Studie liefert wichtige Ergebnisse, die die Diskrepanz zwischen gemeldeten Virusinfektionen und Antikörperaufkommen offenlegen“, so Markus Hippich, Erstautor der Studie und Postdoc am Helmholtz Zentrum München. „Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen.“
Deutschlandweite Antikörper-Screenings gefordert
Studienleiterin Ziegler kommentierte die Ergebnisse so: „Nationale Programme, die mit hoher Spezifität und Sensitivität auf Antikörper testen, könnten den Ländern zuverlässige Daten liefern, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Sie könnten ihnen dabei helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Maßnahmen zu überprüfen.“
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