Antibiotikaresistenzen: Enorme Wissenslücken in der Bevölkerung
Das Problem der Antibiotikaresistenzen hat es mittlerweile ganz oben auf die politische Agenda geschafft. So werden sich etwa während des bevorstehenden G7-Gipfels auf Schloss Elmau die Staats- und Regierungschefs der Thematik widmen. Doch was weiß der deutsche Durchschnittsbürger eigentlich über die Entstehung von Antibiotikaresistenzen? Genau dieser Frage ging der Forschungsverbund „Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation“ (RAI) in einer Umfrage mit mehr als 1.000 Erwachsenen nach. Demnach ist das Bewusstsein für die Problematik in der Bevölkerung zwar sehr hoch. Wissenslücken zur Antibiotikanutzung sind jedoch weit verbreitet.
Viele glauben, Antibiotika wirken auch gegen Viren
In der von TNS Emnid durchgeführten Befragung gaben 70 Prozent der Teilnehmer an, dass ihnen das Thema Antibiotikaresistenzen wichtig bis sehr wichtig ist. Aber wie es zur Resistenzentwicklung kommt, wusste nur eine Minderheit. So meinten 58 Prozent der Befragten, dass ihr eigenes Verhalten im Umgang mit Antibiotika keinerlei Einfluss auf die allgemeine Entwicklung von Antibiotikaresistenzen hat. Laut den Wissenschaftlern ein Irrtum mit Folgen: „Wenn die Medikamente nicht genau so eingenommen werden wie vom Arzt verordnet, fördert das die Bildung von resistenten Bakterien“, erklärt die Hygieneexpertin der Charité Professor Petra Gastmeier. Gleiches gelte, wenn Antibiotikareste über den Hausmüll oder die Toilette entsorgt werden – und nicht an den vorgesehenen Sammelstellen oder in der Apotheke. „Um die Resistenzproblematik in den Griff zu bekommen, müssen wir besser informieren als bisher“, so Gastmeier. Denn auch die Frage wer oder was gegen ein Antibiotikum resistent werden kann, konnte nur jeder vierte Befragte richtig beantworten. 37 Prozent meinten, „Viren und Bakterien“ würden gegen Antibiotika resistent, weitere 20 Prozent nannten den „Menschen.“ Dabei können Antibiotika nur gegen das resistent werden, gegen das sie wirken: Bakterien eben.
Zielgruppengerechte Kampagnen geplant
Um die Menschen künftig besser über Antibiotika und Resistenzen zu informieren, haben sich im Modellprojekt RAI Mediziner und Kommunikationsexperten zusammengetan. Beteiligt sind neben der Charité und dem Robert Koch-Institut auch das Universitätsklinikum Jena sowie das Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der FU Berlin. Kommunikationsexpertise steuern das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin sowie die Berliner Kommunikationsagentur Lindgrün bei.
Die Wissenschaftler wollen nach eigenen Angaben erstmals sektorenübergreifend Informations- und Kommunikationsstrategien zum maßvollen, vernünftigen Einsatz von Antibiotika entwickeln. Zielgruppen sind Ärzte, Tierärzte, Landwirte, Patienten und last but not least die Allgemeinbevölkerung. Noch sind die Wissenschaftler dabei, die Bedürfnisse und Barrieren in den einzelnen Zielgruppen zu eruieren. Später sollen sie mit Kampagnen zielgruppengerecht angesprochen werden. Das sei längst überfällig meint der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar H. Wieler. „Eines der größten Versäumnisse in der Vergangenheit war, dass man die Initiativen immer nur auf eine bestimmte Gruppierung beschränkt hat“, sagte er. Das Versäumte gelte es jetzt dringend aufzuholen.
Berlin und Brandenburg sind Modellregion
Das Projekt startet zunächst in Berlin, Brandenburg und Thüringen. Bei erfolgreichem Verlauf sei nach Ende der Projektlaufzeit eine Ausweitung denkbar, hieß es.
Das Modellprojekt „Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation“ (RAI) ist ein Teilprojekt des Forschungsverbundes „Infectcontrol 2020“ und wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) gefördert.