Antibiotika: Problematische Erwartungshaltung in der Bevölkerung
Die Nase läuft, der Hals tut weh, man fühlt sich schlapp: Niemand möchte gerne krank sein. Doch außer einer symptomatischen Behandlung und möglichst viel Schonung, kann man gegen eine Erkältung nicht viel tun. Besonders jüngere Erwachsene empfinden das offenbar als unbefriedigend und erwarten eine Antibiotika-Therapie, wie eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit zeigt: Demnach erwarten 78 Prozent der Befragten 18- bis 29-Jährigen eine Verordnung, wenn ihre Erkältungsbeschwerden nicht von selbst besser werden. Bei den Menschen über 60 Jahren sind es mit 67 Prozent deutlich weniger. Im Mittel erwarten also 72 Prozent der Bundesbürger, dass ein Antibiotikum bei hartnäckigen Beschwerden hilft. Dabei dienen die Medikamente nur der Behandlung von bakteriellen Infektionen und nicht von Virusinfekten.
Ärzte unter Druck
„Diese Erwartungshaltung ist problematisch, vor allem, wenn sie sich auf das Verordnungsverhalten der Ärzte auswirkt“, kommentiert Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. Antibiotika seien lebensrettende Medikamente, die dringend benötigt würden. „Werden sie unkritisch eingenommen, verschärft sich das Risiko der Resistenzbildung“, so der DAK-Chef weiter.
Seit Jahren kämpfen Fachgesellschaften und Politik gemeinsam gegen einen unkritischen Einsatz von Antibiotika. Bei Ärzten hat bereits ein Bewusstseinswandel eingesetzt, wie andere Untersuchungen zeigen. Jedoch stehen Mediziner mächtig unter Druck, wenn sie ihren Patienten nicht viel mehr als einen Schnupfenspray anbieten können. Nach der aktuellen Befragung hat fast jeder zweite junge Erwachsene (48%) im vergangenen Jahr Antibiotika verschrieben bekommen. Viele dieser Verordnungen waren fragwürdig: Jeder Fünfte hatte eine Erkältung, bei der in der Regel kein Antibiotikum nötig ist. Dass sich die Erwartungshaltung direkt auf das Verordnungsverhalten auswirkt, zeigt der Vergleich mit den über 60-Jährigen: Von ihnen hat im vergangenen Jahr nur etwa jeder Dritte (35 Prozent) Antibiotika verordnet bekommen.
Irrtum über Antibiotika weit verbreitet
Unwissen über das Wirkspektrum von Antibiotika scheint einer der Gründe für den unkritischen Einsatz zu sein: So denken 31 Prozent der Befragten, Antibiotika würden bei Virusinfekten wirken und 19 Prozent erhoffen sich Hilfe bei Pilzinfektionen. Im Vergleich zu einer Umfrage aus 2014 liegen heute aber etwas weniger Menschen diesem Irrtum auf: Damals waren es 38 bzw. 23 Prozent. Rückgängig ist auch der Glaube, mit Antibiotika wieder schneller fit für den Job zu werden: Aktuell geben das 16 Prozent der Befragten an. 2014 waren es noch 25 Prozent.
Foto: DAK Gesundheit