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Antibiotika künftig kürzer einnehmen?

Donnerstag, 9. November 2017 – Autor:
Die Faustregel, nach der Antibiotika bis zum Ende der Packung einzunehmen sind, ist überholt. Eine kürzere Einnahmezeit kann ebenso wirksam sein - und das Resistenz-Risiko verringern.
Leere Tablettenverpackung

Antibiotika können kürzer eingenommen werden als gedacht – Foto: ©patila - stock.adobe.com

Bislang galt: Ein Antibiotikum sollte auch noch nach dem Verschwinden der Symptome und bis zum Ende der Packung eingenommen werden. Diese Regel ist überholt. Die Wissenschaft liefert immer mehr Belege, dass bei vielen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist. So zeigte eine 2016 im Fachjournal JAMA veröffentliche Untersuchung zur ambulant erworbenen Lungenentzündung: Eine fünftägige Antibiotikatherapie erwies sich in der Studie als ebenso wirksam wie eine 10-tägige. 

Eine kürzere Therapie hat zudem den Vorteil, dass weniger resistente Erreger entstehen. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI). „Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotikatherapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert“, so Prof. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI.

Dahinter stand der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. „Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger“, so Fätkenheuer weiter in einer Mitteilung der DGI im Vorfeld der WHO World Antibiotic Awareness Week.

Antibiotika kürzer einnehmen nur auf Rat des Arztes

Eine kürzere Antibiotikatherapie hat nicht nur den Vorteil von weniger Resistenzentstehung – sie geht auch mit weniger Nebenwirkungen einher. „Dennoch bedeutet dies nicht, dass Patienten ein Antibiotikum eigenhändig absetzen sollten, sobald ihre Symptome verschwunden sind“, so Prof. Winfried Kern, Vorstandsmitglied der DGI und Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Es hängt vielmehr von der Art der Erkrankung, ihrer Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp ab, wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden muss.

„Bei einer Harnwegsinfektion kann es mitunter ausreichen, das Medikament nur einen Tag lang einzunehmen. Im Falle einer schweren Infektion mit Staphylokokken dagegen müssen Betroffene Antibiotika oft mehrere Wochen lang zu sich nehmen. Hier beispielsweise könnte eine zu kurze Therapie zu Komplikationen und Resistenzbildung führen“, erklärt Fätkenheuer.

Dauer abhängig von Infektions-Art und Verlauf der Krankheit

Betroffene Patienten sollten das Medikament daher nicht einfach weglassen oder die Dosis reduzieren. „Ein Arzt gibt idealerweise eine Einnahmedauer vor, die gezielt auf die jeweilige Infektion und ihren zu erwartenden Verlauf abgestimmt ist“, so der Infektologe. Sind die Symptome frühzeitig ausgeheilt oder schlägt das Mittel nicht an, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.

Wie bei jedem anderen Medikament gelte auch für Antibiotika: Die Einnahme sollte so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig erfolgen. Mit der Weltantibiotikawoche möchte die WHO auf die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Antibiotika aufmerksam machen.

Foto: patila/fotolia.com

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