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Angehörige pflegen: Drei Viertel der Arbeit machen Frauen

Donnerstag, 1. Dezember 2022 – Autor:
Wenn Angehörige wegen einer akuten oder chronischen Krankheit in den eigenen vier Wänden gepflegt werden müssen, übernehmen das meist Frauen. Nur wenige Männer nutzen die „Familienpflegezeit“ – auch, weil das (noch) mit finanziellen Risiken verbunden ist.
Junge Frau pflegt alte zu Hause.

Pflege von kranken Eltern oder Kindern: Von den Familienmitgliedern, die das übernehmen, sind zum Beispiel im Land Berlin 72 Prozent Frauen und 27 Prozent Männer. – Foto: AdobeStock/Alexander Raths

Wenn die eigenen Eltern, Kinder oder andere Angehörige einen Pflegegrad erhalten, übernehmen meist Frauen die Familienpflege. Das zeigt eine Datenanalyse der AOK/Region Nordost für ihren Zuständigkeitsbereich, die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Bislang nutzen nur sehr wenige Männer die Möglichkeit, für bis zu 24 Monate ihre Arbeitszeit zu reduzieren und „Familienpflegezeit“ zu nehmen – auch weil sie sich das wegen der finanziellen Folgen kaum leisten können. Dabei könnte dies laut AOK helfen, die Arbeit gleichmäßiger zu verteilen.

Pflege am Beispiel Berlin: Nur 27,5 Prozent Männer

Um die Verteilung zu ermitteln, analysierte die AOK das Geschlecht von rund 19.600 sogenannten Pflegepersonen, die bei ihr versichert sind. Das Bundesland Berlin als Beispiel: Hier sind laut AOK 72,5 Prozent der Pflegepersonen Frauen – und nur 27,5 Prozent Männer. „Pflegepersonen“ im juristischen Sinne sind Menschen, die mindestens zehn Stunden pro Woche Angehörige mit einem Pflegegrad pflegen. Sie erhalten Vorteile in der Rentenversicherung, dürfen im Gegenzug aber höchstens 30 Stunden pro Woche arbeiten.

Teilzeit, um zu pflegen: Viele Männer können es sich nicht leisten

Dass Männer seltener Angehörige pflegen als Frauen, hat auch finanzielle Gründe. Zwar haben Männer ebenso wie Frauen seit 2015 einen Rechtsanspruch auf 24-monatige Arbeitszeitreduzierung für eine „Familienpflegezeit“. Aber die daraus resultierenden Einkommenseinbußen können Pflegende derzeit lediglich durch ein zinsloses Darlehen ausgleichen, das später in der Regel zurückgezahlt werden muss.

Männer-Interessensverband: „Echte Gender-Falle“

Weil der Einkommensverlust bei Männern im Schnitt größer ausfällt als bei Frauen, können es sich viele Männer derzeit finanziell nicht erlauben, zu Gunsten der Pflege Angehöriger beruflich kürzerzutreten. Der Interessenverband „Bundesforum Männer“ spricht in diesem Zusammenhang von einer „echten Gender-Falle“. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat angekündigt, das ändern zu wollen. Sie setzt sich für eine staatlich finanzierte Lohnersatzleistung in Höhe des Elterngeldes für pflegende Angehörige ein, die ihre Arbeitszeit reduzieren.

AOK-Chef: „Ungleiche Verteilung passt nicht ins Jahr 2022“

„Pflegende Angehörige leisten oft bewundernswert viel, und sie stecken dafür oft beruflich zurück. Es passt nicht ins Jahr 2022, dass diese Aufgabe immer noch so ungleich unter den Geschlechtern verteilt ist“, sagt Hans-Joachim Fritzen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost. „Die Familienpflegezeit stellt eine Möglichkeit dar, die Pflege von Angehörigen besser mit der Berufstätigkeit zu vereinbaren. Mehr Männer sollten diese Möglichkeit nutzen.“

Pflegende Männer: Stadt-Land-Unterschied

Im Vergleich zwischen Berlin und Brandenburg zeigt sich laut AOK, dass es einen signifikanten Stadt-Land-Unterschied bei der Geschlechterverteilung der Pflege Angehöriger gibt. Vor allem junge Berliner Männer übernehmen demnach deutlicher häufiger Verantwortung für ein pflegebedürftiges Kind oder einen anderen Angehörigen als ihre Geschlechtsgenossen in Brandenburg. Der Männeranteil der pflegenden Angehörigen beträgt in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen in Berlin rund 34 Prozent, in Brandenburg sind es lediglich 23 Prozent. In den höheren Altersgruppen gleicht sich der Männeranteil in den beiden Bundesländern allerdings tendenziell an.

Wo sich pflegende Angehörige Unterstützung holen können

Die AOK Nordost unterstützt pflegende Angehörige mit einer Vielzahl von Angeboten. Bei der AOK Nordost und in den Pflegestützpunkten informieren und beraten speziell qualifizierte Pflegeberaterinnen und -berater bei allen Themen rund um die Pflege. Die „AOK Pflege Akademie“ bietet Pflegekurse und individuelle Schulungen an. Und mit dem Online-Selbsthilfe-Programm „Familiencoach Pflege“ unterstützt die AOK pflegende Angehörige dabei, den seelisch belastenden Pflegealltag besser zu bewältigen.

Hauptkategorie: Pflege
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