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Am Arbeitsplatz gibt es kein Recht auf Hitzefrei

Mittwoch, 26. Juni 2019 – Autor:
Hoch „Ulla“ hat Deutschland dieser Tage fest im Griff und sorgt für extrem heiße Temperaturen. Arbeiten ist trotzdem Pflicht. Das deutsche Arbeitsrecht kein Hitzefrei.
Arbeit, Recht, Hitzefrei

Das Sakko ausziehen, ist bei großer Hitze erlaubt. Aber einen Anspruch auf Hitzefrei haben Arbeitnehmer nicht

Arbeiten bei 35 Grad und mehr - ist das zumutbar? Leider ja. Im deutschen Arbeitsrecht gibt es weder ein Recht auf Hitzefrei noch auf klimatisierte Räume. Arbeitgeber sind allerdings verpflichtet, die Mitarbeiter vor „Gefährdungen“ am Arbeitsplatz zu schützen. Das gilt auch bei deutlich erhöhten Temperaturen. Liegt die Lufttemperatur in Arbeitsräumen über 26 Grad, müssen Arbeitgeber geeignete Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel durch Sonnenschutzvorrichtungen. Das ist in den „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geregelt. Die Handlungsspielräume für Arbeitgeber sind allerdings groß. Und ein Recht auf Hitzefrei gibt es bei keiner noch so tropischen Temperatur.

Ab 26 Grad Innentemperatur müssen Arbeitgeber handeln

„Innenraumtemperaturen über 26 Grad sind in vielen Gebäuden im Hochsommer keine Seltenheit“, sagt André Siegl, Arbeitssicherheitsexperte beim TÜV-Verband (VdTÜV). Arbeitgeber sollten daher frühzeitig an bauliche und gebäudetechnische Maßnahmen denken. Doch selbst mit Jalousien heizen sich viele Räume schnell auf, besonders wenn sie lange der Sonne ausgesetzt sind.

Erreicht die Raumtemperatur mehr als 30 Grad, muss der Arbeitgeber weitere „technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen“ ergreifen. Das bedeutet zum Beispiel, dass der Arbeitgeber den Mitarbeitern Getränke bereitstellen, die Kleiderordnung lockern oder häufigere Pausen in kühleren Bereichen anbieten kann. Kleiderordnung lockern bedeutet aber nicht, dass man im Strand-Look zur Arbeit kommen kann. Für einen Bankbeamten kann das lediglich heißen, den oberen Hemdknopf zu öffnen oder das Sakkoabzulegen. Shorts sind für Männer tabu, Frauen dürfen dagegen unter Röcken nackte Beine zeigen.

Homeoffice nur nach Absprache

„Arbeitgeber sollten prüfen, ob bestimmte Arbeiten in den kühleren Morgenstunden oder von zu Hause erledigt werden können“, rät Arbeitsschutzexperte Siegl. Hilfreich für eine pragmatische Umsetzung sei es, wenn es in der Organisation Gleitzeitmodelle und Homeoffice-Regelungen für die Arbeitszeitgestaltung gebe. „Nützlich gegen überhitzte Arbeitsräume sind darüber hinaus klare Anweisungen an die Belegschaft, am frühen Morgen zu lüften und den Sonnenschutz tagsüber geschlossen zu halten.“

Selbst ab 35 Grad kein Recht auf Hitzefrei

Erst bei Überschreiten der Lufttemperatur von 35 Grad gelten Arbeitsräume als nicht geeignet. Einfach nicht zur Arbeit gehen, ist trotzdem nicht erlaubt. Das kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Das klingt unfair, macht aber auch Sinn: Man stelle sich vor, Feuerwehrleute, Busfahrer oder Ärzte würden an heißen Tagen nicht zur Arbeit kommen.

Hitze ist große körperliche Belastung

Die Hitzewelle ist für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine starke Belastung. Bei großer Hitze sinken auf Dauer die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. So sinkt zum Beispiel der Blutdruck, da sich die Gefäße bei Hitze weit stellen. Ähnliches passiert, wenn man mehr Flüssigkeit herausschwitzt als zu sich nimmt. Diese Kombination kann an heißen Tagen gefährlich werden. Schwindel, Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit und Übelkeit deuten auf Kreislaufprobleme hin. Siegl: „Dann hilft kaltes Wasser an den Handgelenken oder das Eintauchen der Unterarme in kaltes Wasser.“ Das geht auch an den meisten Arbeitsplätzen. Noch etwas wirksamer sei ein kaltes Fußbad. „Betroffene sollten sofort ausreichend Wasser trinken und dann die Beine hochlegen, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen“, sagt Siegl. Allerdings sollte auf zu kalte Getränke verzichtet werden. Denn sie heizen den Körper erst Recht tüchtig ein.

Und noch einen Tipp gibt der Mann vom TÜV: Nicht benötigte elektrische Geräte sollten grundsätzlich ausgeschaltet werden. So werden Wärmequellen reduziert, die Büros zusätzlich aufheizen.

Hitzefrei an Schulen wurde abgeschafft

Auch in Berliner Schulen gibt es übrigens kein Recht auf Hitzefrei. „Schule ist Pflicht“ schreibt die Berliner Senatsverwaltung auf ihrer homepage. Und der Ausfall oder das Versäumen von Unterricht müsse die Ausnahme sein. Darum gebe es kein “Hitzefrei” ab einer bestimmten Temperatur mehr. Bei großer Hitze entscheiden sich Schulen deshalb oft für verkürzte Unterrichtsstunden. Wann dieser Punkt erreicht ist, bleibt aber im Ermessensspielraum der Schulleitung. Gut, dass Berlin bereits Sommerferien hat. 

Foto: pixabay

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